Вот так надо финансировать науку (нем.)
06/17/2008 | Zajac
Из последнего выпуска Шпигеля (No. 25, 2008):
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FORSCHUNGSPOLITIK
Liebhaber des Lasers
Mit mehr als 400 Millionen Euro steigt der russische Staat in
deutsche Spitzenforschung ein – nicht ganz uneigennützig.
Die Osdorfer Feldmark war bisher nur naturverliebten Hamburgern
vertraut. Wiesen locken dort, im Westen der Hansestadt,
zu einem schnellen Ausflug ins Grüne. Nun hat das Landschaftsschutzgebiet
neue, äußerst mächtige Liebhaber gefunden.
Niemand Geringeres als der russische Präsident Dmitrij Medwedew
und Ministerpräsident Wladimir Putin haben die Gegend für sich entdeckt.
Satte 250 Millionen Euro wollen sie dort investieren.
Mit dieser gewaltigen Summe kauft sich Russland im großen Stil in
die deutsche Spitzenforschung ein – eine neue Dimension russischen Engagements.
Nach Gaskunden, Fußballclubs und Firmen rückt Spitzentechnologie
aus Deutschland ins Visier der Moskauer Großstrategen.
Zwischen Hamburg-Bahrenfeld und Schenefeld soll ab 2009 die leistungsfähigste
Röntgenlichtquelle der Welt entstehen, der Europäische Freie-
Elektronen-Laser XFEL. Die Anlage wird biologische und chemische Prozesse
so gut sichtbar machen wie nie: bis zur Winzigkeit des Atoms.
Rund eine Milliarde Euro kostet das Projekt. Weil die Bundesregierung
die Mittel nicht allein aufbringen wollte, machte man sich auf
die Suche nach Investoren aus dem Ausland. Mit einem Volumen, wie
es die Russen nun zusagen, hätte jedoch niemand gerechnet. Weit
vor Frankreich und Großbritannien wird Russland mit seinem Anteil von
25 Prozent zum wichtigsten von 13 Partnerländern. Eine formale Vereinbarung
zwischen Berlin und Moskau ist schon gefunden.
„Als russische Vertreter die 250 Millionen Euro zum ersten Mal nannten,
war ich komplett überrascht“, sagt Massimo Altarelli, Leiter des XFEL-Projekts.
Auch im Bundesforschungsministerium von Annette Schavan (CDU) verschlug
es Mitarbeitern die Sprache.
So viel Geld hat noch kein anderes Land in ein Forschungsprojekt auf deutschem
Boden gesteckt. Dabei zählte Russland bis vor kurzem zu den Bedürftigen unter den
Wissenschaftsnationen. Doch die explodierenden Profite aus dem Öl- und Gasgeschäft
haben die Gewichte verschoben.
Das Geld, das die Deutschen für Gas an Moskau zahlen, kommt nun in Form von
Forschungsinvestitionen zurück und verschafft Russland gewaltigen Spielraum auf
dem Feld der Spitzentechnologie. Von den Erkenntnissen aus der XFEL-Forschung erhofft
sich der Kreml eine ökonomische Zukunft jenseits des Energiegeschäfts.
Mit maximal 40 Millionen Euro aus Russland hatten die deutschen Unterhändler
gerechnet, als die Gespräche darüber begannen, wer den deutschen Eigenbeitrag
von bis zu 75 Prozent der Kosten aufstockt. 40 Millionen waren es jedenfalls,
die sie nach mühsamen Sitzungen den Franzosen hatten abringen können. Die
Franzosen gaben sich knauserig, weil sie Zukunftsprojekte dieser Größenordnung
lieber auf eigenem Boden errichtet sehen, etwa den internationalen Fusionsreaktor
„Iter.“ Die meisten anderen Partner, wie Dänemark oder Ungarn, bringen nur wenige
Millionen Euro ein.
Russland sah indes die Chance, Zugang zu westlicher Spitzenforschung zu bekommen
und langte zu. Der ehemalige Präsident und heutige Ministerpräsident, Wladimir Putin, beauftragte eigens seinen
Vertrauten Michail Kowaltschuk, den Chef des Kurtschatow-Instituts, um den Coup
zu landen. Umgerechnet mehrere Milliarden Dollar stehen Kowaltschuk für eine
Nanotechnologie-Offensive zur Verfügung.
Auf den Wiesen vor Hamburg sind bislang nur ein paar Bäume gefällt
worden, um den Zufahrtsweg für den Baustellenverkehr zu verbreitern.
Wenn das Projekt wie geplant 2013 fertig ist, wird eine 3,4 Kilometer lange
Tunnelanlage vom Helmholtz-Zentrum „Desy“ in Bahrenfeld zu
sechs Hightech-Messplätzen führen. Am Desy steht bereits die Laser-
Pilotanlage „Flash“.
In dem Tunnel werden bei minus 271 Grad Celsius Elektronen beschleunigt.
Mit ihnen wird Licht erzeugt, das es ermöglicht, Atome und Moleküle live zu beobachten, ja beim
Reagieren zu filmen. Experten sprechen von einem der spannendsten
Forschungsprojekte weltweit.
Die Anlage wird es beispielsweise erlauben, Wirkstoffe für Medikamente
so zu konzipieren, dass sie gegen einen Erreger maximale Wirkung
entfalten. Nanotechnologen und Materialkundler stehen bereits Schlange,
um nach der Inbetriebnahme des „Lichts der Zukunft“, wie die XFELForscher
ihre Strahlungsquelle nennen, zu profitieren. Russische Forscher
werden ganz vorn mit dabei sein.
„Wissenschaftler aus Ländern, die viel zuzahlen, bekommen nicht automatisch
leichter Zugang zu den Messplätzen“, betont Altarelli. „Es wird nach wissenschaftlicher Exzellenz
der Projekte entschieden.“ Aber selbstverständlich wären Russen in allen
Entscheidungsgremien stärker vertreten als andere ausländische
Geber. „Die russische Führung sieht die Zukunft des Landes in der Hochtechnologie“,
sagt Bertram Heinze, der die Vertretung der Helmholtz- Gemeinschaft in Moskau leitet.
„Mit der XFEL-Beteiligung sichert sie sich einen Platz an der Speerspitze.“
Schon wird der nächste Schritt der Forschungsoffensive vorbereitet: Für den neuen Ionenbeschleuniger FAIR in Darmstadt, der 1,2 Milliarden Euro kostet, hatte die russische
Regierung bisher 60 Millionen Euro zugesagt. In Moskau heißt es nun, es seien auch 180 Millionen drin.
Christian Schwäger
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FORSCHUNGSPOLITIK
Liebhaber des Lasers
Mit mehr als 400 Millionen Euro steigt der russische Staat in
deutsche Spitzenforschung ein – nicht ganz uneigennützig.
Die Osdorfer Feldmark war bisher nur naturverliebten Hamburgern
vertraut. Wiesen locken dort, im Westen der Hansestadt,
zu einem schnellen Ausflug ins Grüne. Nun hat das Landschaftsschutzgebiet
neue, äußerst mächtige Liebhaber gefunden.
Niemand Geringeres als der russische Präsident Dmitrij Medwedew
und Ministerpräsident Wladimir Putin haben die Gegend für sich entdeckt.
Satte 250 Millionen Euro wollen sie dort investieren.
Mit dieser gewaltigen Summe kauft sich Russland im großen Stil in
die deutsche Spitzenforschung ein – eine neue Dimension russischen Engagements.
Nach Gaskunden, Fußballclubs und Firmen rückt Spitzentechnologie
aus Deutschland ins Visier der Moskauer Großstrategen.
Zwischen Hamburg-Bahrenfeld und Schenefeld soll ab 2009 die leistungsfähigste
Röntgenlichtquelle der Welt entstehen, der Europäische Freie-
Elektronen-Laser XFEL. Die Anlage wird biologische und chemische Prozesse
so gut sichtbar machen wie nie: bis zur Winzigkeit des Atoms.
Rund eine Milliarde Euro kostet das Projekt. Weil die Bundesregierung
die Mittel nicht allein aufbringen wollte, machte man sich auf
die Suche nach Investoren aus dem Ausland. Mit einem Volumen, wie
es die Russen nun zusagen, hätte jedoch niemand gerechnet. Weit
vor Frankreich und Großbritannien wird Russland mit seinem Anteil von
25 Prozent zum wichtigsten von 13 Partnerländern. Eine formale Vereinbarung
zwischen Berlin und Moskau ist schon gefunden.
„Als russische Vertreter die 250 Millionen Euro zum ersten Mal nannten,
war ich komplett überrascht“, sagt Massimo Altarelli, Leiter des XFEL-Projekts.
Auch im Bundesforschungsministerium von Annette Schavan (CDU) verschlug
es Mitarbeitern die Sprache.
So viel Geld hat noch kein anderes Land in ein Forschungsprojekt auf deutschem
Boden gesteckt. Dabei zählte Russland bis vor kurzem zu den Bedürftigen unter den
Wissenschaftsnationen. Doch die explodierenden Profite aus dem Öl- und Gasgeschäft
haben die Gewichte verschoben.
Das Geld, das die Deutschen für Gas an Moskau zahlen, kommt nun in Form von
Forschungsinvestitionen zurück und verschafft Russland gewaltigen Spielraum auf
dem Feld der Spitzentechnologie. Von den Erkenntnissen aus der XFEL-Forschung erhofft
sich der Kreml eine ökonomische Zukunft jenseits des Energiegeschäfts.
Mit maximal 40 Millionen Euro aus Russland hatten die deutschen Unterhändler
gerechnet, als die Gespräche darüber begannen, wer den deutschen Eigenbeitrag
von bis zu 75 Prozent der Kosten aufstockt. 40 Millionen waren es jedenfalls,
die sie nach mühsamen Sitzungen den Franzosen hatten abringen können. Die
Franzosen gaben sich knauserig, weil sie Zukunftsprojekte dieser Größenordnung
lieber auf eigenem Boden errichtet sehen, etwa den internationalen Fusionsreaktor
„Iter.“ Die meisten anderen Partner, wie Dänemark oder Ungarn, bringen nur wenige
Millionen Euro ein.
Russland sah indes die Chance, Zugang zu westlicher Spitzenforschung zu bekommen
und langte zu. Der ehemalige Präsident und heutige Ministerpräsident, Wladimir Putin, beauftragte eigens seinen
Vertrauten Michail Kowaltschuk, den Chef des Kurtschatow-Instituts, um den Coup
zu landen. Umgerechnet mehrere Milliarden Dollar stehen Kowaltschuk für eine
Nanotechnologie-Offensive zur Verfügung.
Auf den Wiesen vor Hamburg sind bislang nur ein paar Bäume gefällt
worden, um den Zufahrtsweg für den Baustellenverkehr zu verbreitern.
Wenn das Projekt wie geplant 2013 fertig ist, wird eine 3,4 Kilometer lange
Tunnelanlage vom Helmholtz-Zentrum „Desy“ in Bahrenfeld zu
sechs Hightech-Messplätzen führen. Am Desy steht bereits die Laser-
Pilotanlage „Flash“.
In dem Tunnel werden bei minus 271 Grad Celsius Elektronen beschleunigt.
Mit ihnen wird Licht erzeugt, das es ermöglicht, Atome und Moleküle live zu beobachten, ja beim
Reagieren zu filmen. Experten sprechen von einem der spannendsten
Forschungsprojekte weltweit.
Die Anlage wird es beispielsweise erlauben, Wirkstoffe für Medikamente
so zu konzipieren, dass sie gegen einen Erreger maximale Wirkung
entfalten. Nanotechnologen und Materialkundler stehen bereits Schlange,
um nach der Inbetriebnahme des „Lichts der Zukunft“, wie die XFELForscher
ihre Strahlungsquelle nennen, zu profitieren. Russische Forscher
werden ganz vorn mit dabei sein.
„Wissenschaftler aus Ländern, die viel zuzahlen, bekommen nicht automatisch
leichter Zugang zu den Messplätzen“, betont Altarelli. „Es wird nach wissenschaftlicher Exzellenz
der Projekte entschieden.“ Aber selbstverständlich wären Russen in allen
Entscheidungsgremien stärker vertreten als andere ausländische
Geber. „Die russische Führung sieht die Zukunft des Landes in der Hochtechnologie“,
sagt Bertram Heinze, der die Vertretung der Helmholtz- Gemeinschaft in Moskau leitet.
„Mit der XFEL-Beteiligung sichert sie sich einen Platz an der Speerspitze.“
Schon wird der nächste Schritt der Forschungsoffensive vorbereitet: Für den neuen Ionenbeschleuniger FAIR in Darmstadt, der 1,2 Milliarden Euro kostet, hatte die russische
Regierung bisher 60 Millionen Euro zugesagt. In Moskau heißt es nun, es seien auch 180 Millionen drin.
Christian Schwäger