Charkiw. Chronik des Angriffss auf die Stadt, der 31. Tag (26.03.2022)

Auch heute war der Tag relativ ruhig. Den Beschuss gab es am Morgen, dann wurde er im Laufe des Tages aktiver (das ist teilweise mit den Kämpfen im östlichen Vorort der Stadt verbunden). Am Abend war die Aktivität der moskowiter sporadisch, unter anderem weil es am Abend regnete.

 

Beschossen wurden das nördliche Saltiwka, ein anderer Saltiwka-Teil, nämlich Oleksijiwka, wo sogar eine russische orthodoxe Kirche getroffen wurde, außerdem Siedlungen Zhukowskyj und Pjatychatky. Einige Geschosse flogen auch Richtung Stadtteile Horizont und Charkiwer Traktorenwerk. In anderen Stadtteilen war es ruhig, ja gespenstisch ruhig. Gestern wurde in Saltiwka durch Beschuss die Gasleitung beschädigt, so ist ein Teil des Wohnviertels ohne Gas. Die Gasarbeiter bringen die beschädigte Gasleitung unter Beschuss in Ordnung. Charkiwer Kommunalarbeiter:innen sind echte Held:innen!

Heute wurde schon wieder die Kernkrafteinrichtung in Pjatychatky beschossen. Zur Zeit ist es sehr schwierig, ihren Zustand zu überprüfen. Die moskowiter haben vor, eine Atomkatastrophe herbeizuführen, um die Zweckmäßigkeit eines Atomschlags oder einer Chemieattacke zu rechtfertigen.

Die raschisten haben auch Drobytskyj Jar beschossen – an diesem Ort haben die Nazis im Dezember 1941 – Frühjahr 1942 über 20 Tausend Charkiwer Bürger hingerichtet, die meisten von ihnen waren Juden. raschisten haben Menora zerstört und einige weitere Objekte dieser Gedenkstätte. Die “Entnazifizierung” auf moskowitische Art bedeutet Trauerorte sowie jüdische Gräber aus der Holocaust-Zeit zerstören.

Unsere Militäreinheiten säubern das Dorf Wilchiwka und Umgebung von den raschisten und drängen sie an die Srarosaltiwske Chaussee. Es ist laut dort heute. Es wurden Trophäen und Gefangene genommen. Das ist eine gute Nachricht. Leider aber kamen im Kampf um den östlichen Vorort der Stadt der „Freikorps“-Anführer Georhij Tarasenko sowie der ehemalige Kommandeur des Bataillons „Charkiw-1“ Serhij Janholenko ums Leben. Es gibt viele Verluste ziemlich bekannter Militärleute aus Charkiw. Die Erinnerung an sie sei ewig! Unsere Rache kommt unbedingt!

Heute wurden in der Nähe von Charkiw eine Rakete, eine Drohne und ein weiterer Bomber der moskowiter abgeschossen. Eine gute Ernte!

Nachdem ein Geschäft mit elektronischen Haushaltsgeräten und Technik geöffnet wurde, haben es die Menschen regelrecht gestürmt! Vorher wurde solche Technik aus anderen Städten gebracht. Im Allgemeinen war es ruhig im Stadtzentrum. Das Angebot an Waren in den Stadtteilen, die nicht beschossen werden, ist recht mannigfaltig. In einigen Geschäften bestimmter Handelsketten fehlt es manchmal an einigen Waren des alltäglichen Bedarfs – da kommt es oft auf richtiges Moment, etwas zu schnappen, obwohl es nicht ausgeschlossen ist, dass in anderen Geschäften, die auch im selben Stadtviertel sein können, alles zu kaufen ist. In den Stadtvierteln, die unter Beschuss stehen, ist die Lage bei weitem nicht so harmlos, es gibt nur ein Minimum an Waren. Nur wenige Supermärkte sind dort geöffnet, weil es in einigen Wohnvierteln keinen Strom gibt oder Supermarktgebäude beschädigt sind.

Das größte Problem in der Stadt ist Tierfutter – für Katzen und Hunde – zu besorgen. Die Menschen müssen die Futter fast wie in sowjetischen Zeiten über Bekannte regelrecht auftreiben. Die Straßenkatzen und -hunde hungern schon nicht. Sie werden von den in der Stadt gebliebenen Menschen gefüttert. Das ist eigentlich auch ein markantes Merkmal Charkiws in Kriegszeit – dass sich die Stadteinwohner um Straßentiere kümmern. Während Hunde vom Beschuss einen Schrecken kriegen und mit eingezogenen Schwänzen hin- und herlaufen, strahlen Katzen Ruhe aus, obwohl auch sie etwas ängstlicher geworden sind.

Aus dem Feldmann-Ökopark werden Tiere trotz Gefahr weiter evakuiert, diesmal hat man acht Kängurus in Sicherheit gebracht.

Die Charkiwer haben sich an die neuen Lebensumstände gewöhnt – sie versuchen nach Möglichkeit alle Beschäftigungen am Vormittag zu erledigen, und bereits am frühen Nachmittag sind die Stadtstraßen fast menschenleer. Ungefähr um 14-15 Uhr schließen die meisten Supermärkte und Apotheken, so dass alles eigentlich logisch ist.

Heute fand in der Charkiwer U-Bahn „Konzert unter Explosionen“ statt, in dem Musiker des Projekts Kharkiv Music Fest gespielt haben. Kunst ist eine große Sache, sogar in Kriegszeiten und unter schwierigen Lebensumständen. Es ist nicht leicht, das kurz zu beschreiben, aber so ist halt das künstlerische Charkiw: wir organisieren diverse Kunstaktionen unter allen Bedingungen, das ist sowohl für Menschen als auch für Künstler selbst notwendig.

Vieles ist im Charkiwer Gebiet geschehen. In Isjum dauern Kämpfe. Raschistische Versuche, die Stadt zu umgehen, werden vom ukrainischen Militär blockiert. Die moskowiter haben heute die Stadt Barwinkowe beschossen, haben dabei eine Schule und den Stadtfriedhof getroffen. Fünf Personen sind tot. Soweit ich es verstehe, wollen die moskowiter durch Barwinkowe nach Slowjansk gelangen. Weil die bereits begriffen haben, über Isjum werden sie jedenfalls nicht durchziehen können.

Außerdem haben die moskowiter den von ihnen besetzten Zentralteil von Balaklija beschossen, was zu einem Brand geführt hat. Mit dem Bürgermeister Iwan Stolbowyj gibt es seit einigen Tagen keinen Kontakt, er dürfte wohl gefangengenommen worden sein. Auch in Gefangenschaft genommen wurde Stellvertretender Bürgermeister und ein Staatsbeamter in Balaklija.

Weiter dauern Kämpfe in der Stadt Rubischne. Lysytschansk und Sjewerodonetsk werden beschossen. Die moskowiter versuchen es, das Gebiet Luhansk komplett zu besetzen. Anhand der Information, über die wir verfügen, können wir bestätigen, dass ein Teil ihrer Militäreinheiten in dieser Richtung verlegt wird (es wurde ja offiziell die Besetzung der Gebiete Luhansk und Donetzk als strategisches Ziel der „Operation“ angekündigt).

In der Stadt Slawutytsch, das eine Exklave des Kyiwer Gebiets auf dem Territorium des Tschernihiw Gebiets ist, gab es heute eine proukrainische Straßenaktion, die ungeachtet des moskowitischen Eintritts in die Stadt verlief. Das Erste, was die raschisten getan haben: sie versuchten die Teilnehmer:innen der Aktion mit Lichtgranaten und MG-Schüssen zu verscheuchen. Drei Zivilisten sind tot, berichten die Informationsquellen aus Slawutytsch. Das moskowitische Militär fordert die Menschen in der Stadt auf, die Waffen freiwillig abzugeben. Ja, machen sie, einer schneller als der andere, wie kann es denn anders sein!

Der 93. Brigade der ukrainischen Streitkräfte und anderen Verteidigungskräften gelang es, die Stadt Trostjanets zu befreien. In Richtung Cherson kommen die ukrainischen Streitkräfte immer näher an Snihuriwka, das von den meisten moskowitischen Militärkräften schon verlassen wurde. Zur gleichen Zeit ließ der ch-lo [putin] Joe Biden grüßen, indem einige Raketen auf Lwiw und Dubno abgefeuert wurden. Leider ist keine der ukrainischen Regionen vollkommen sicher. Es gibt sicherere Regionen und es gibt gefährlichere Regionen. Eine hundertprozentige Sicherheit gibt es in der Ukraine nirgendwo.

Während der Durchsuchungen bei dem bekannten proraschistischen Aktivisten Mychajlo Pohrebinskyj wurden Dokumente über eine gefälschte Umfrage gefunden, laut der putin von 46 % der ukrainischen Bevölkerung unterstützt wird. Es waren wohl gerade diese Angaben, die im Interesse von [putins Freund] medwedtschuk fabriziert wurden, die die Grundlage putins Glaubens an die „Notwendigkeit“ einer „Entnazifizierung“ bildeten. Kurz gesagt, das alles ist dermaßen unglaublich, dass die richtigen Worte fehlen. Die moskowitische Agentur in der Ukraine hat den Krieg provoziert und somit den Strick um den Hals von moskowien eng gezogen. Sie muss dafür zur Verantwortung gebracht werden!! Für all die Jahre, in denen die Feindseligkeit unter den Ukrainer:innen in Fragen Sprache, Glauben, Geschichte und europäischer Kurs der Ukraine entfacht wurde!!

Mit Darwin-Preis wird heute die moskowitische Propagandistin margo simonjan ausgezeichnet. Sie hat im russischem Fernsehsender zugeben müssen, dass „Bandera-Vorliebe“ (d.h. proukrainische Ansichten) ein Gesamtnarrativ bei der ukrainischen Bevölkerung ist. Schau mal, die dort, die Armen, waren bisher sicher, dass es nur ein kleiner Haufen Menschen sei, der der Regierung mit Gewalt seine Bedingungen diktiere, und nun stellt sich heraus, sie hätten sich in dieser Einschätzung geirrt. Dabei drückte simonjan die Zuversicht aus, die These von „einem Volk“ werde doch von etlichen Menschen getragen. Jajaja…

Ich danke unserem Militär für noch einen Lebenstag. Wir werden ewig jener gedenken, die ihre Leben für unsere Unabhängigkeit und Freiheit geopfert haben. Unterstützen wir Militär, Freiwilligen, Mediziner:innen, Retter:innen und Kommunalmitarbeiter:innen. Helfen wir einander und bringen wir gemeinsam unseren Sieg immer näher!
Serhij Petrow
Bild: Serhij Petrow, CC BY-SA 4.0

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історик, аналітик Інформаційного Центру "Майдан Моніторинг" (сайт "Майдан"), громадський активіст, редактор української Вікіпедії