Langsam komme ich zu Besinnung nach dem frühmorgendlichen Übergang in einen vorläufigen Unterschlupf. Allmählich vergeht meine Erschöpfung, körperliche wie psychologische.
Heute war die Intensivität des Beschusses in der Stadt im allgemeinen schwächer. Weiß nicht, womit das verbunden ist. Dafür aber ist die Treffsicherheit größer, vor allem im Saltiwka-Stadtteil. Besonders viele Geschosse treffen nördliche Saltiwka sowie die Butschma-Straße. Hier gibt es auch die meisten Beschussopfer. In der Tat wird der ganze Stadtteil Saltiwka bis zur Walentyniwska-Straße beschossen. Beschießungen gab es in allen „heißen“ Stadtvierteln, auch aus Mehrfachraketenwerfersystemen 9K51 „Grad“.
Unterwegs sah ich sehr viele Autos Saltiwka verlassen. Die Leute waren auf der Flucht aus der Stadt. Das taten sie richtig, weil ein Teil von Saltiwka absolut lebensgefährlich wurde. Es war ein Exodus, fast so, wie es in den ersten beiden Tagen des Angriffs auf die Stadt war.
Im Allgemeinen ist die humanitäre Situation in Charkiw gespannt: problematisch sind Lebensmittellieferungen, besonders in die beschossenen Stadtteile, problematisch sind Strom-, Heizungs- und Wasserversorgung (und nächste Woche werden Minusgrade erwartet), problematisch ist es, Medikamente, Lebensmittel, die früher im Überfluss vorhandenen Waren des täglichen Bedarfs aufzutreiben. Ein Teil der Haushalte steht bald vor dem Problem der mangelnden Lebensmittel: nicht alle haben Ersparnisse, die es möglich machen würden, einige Monate ohne Arbeit und Lohn durchzuhalten. Leider werden Dutzend Zentren für humanitäre Hilfe, die es in der Stadt gibt, das Problem nicht lösen können. So gibt es in Saltiwka, wo vor dem Krieg 320 Tausend Charkiwer lebten, lediglich zwei solche Zentren.
Ein weiteres Problem ist die Evakuierung aus der Stadt. In den Zügen herrscht echte Hölle: die an unpassendsten Stellen schlafenden Kinder, die die ganze Strecke (die Fahrt kann auch einen vollen Tag dauern) stehenden Erwachsenen. Eine Busfahrt ist gefährlich, weil Busse eher zerbombt werden können. Deshalb braucht man dringend die sogenannten „grünen Korridore“.
Gleichzeitig hat man verstanden, dass das Rote Kreuz, das in seinen Handlungen auf Hinweise aus Moskau wartet, eine absolut unnötige Organisation ist, die nach diesem Krieg abzuschaffen ist.
Im Gebiet Charkiw halten die Moskowiter die drittgrößte (nach Charkiw und Losowa) Gebietsstadt Isjum unter Beschuss. Die Stadt ist ohne Gas, fast ohne Strom, ohne Wärme, es gibt zerstörte Gebäude und menschliche Opfer. Vor dem Krieg war die Stadt ziemlich prorussisch, die prorussische Partei „Oppositionsplattform für das Leben“ hat hier die meisten Wähler.
Der Russenpöbel ist jetzt zum Luftbeschuss der Dörfer übergegangen, der ganz gewöhnlichen Dörfer, wo es weit und breit keine Militärobjekte gibt: gestern wurde das Dorf Jakowliwka, das zur Merefjanska-Stadtgemeinde gehört, beschossen, und heute das Dorf Oleksijiwka, das Zentrum der Territorialgemeinde Oleksijiwka. Gott sei Dank, gab es heute keine Toten, nur eine Frau wurde verletzt. Der Russenpöbel fängt mit dem Terrorisieren der ukrainischen Bevölkerung an. Ganz lächerlich ist es, dass Oleksijiwka als Siedlung der Staatsbauern des Moskauer Staates, der sogenannten „Odnodworzy“ entstand, denn in der Nähe befand sich die Oleksijiwska-Festung der 1731-1733 errichteten Ukrainischen Linie. So sehen wir hier friendly fire zum Ausschlagen der „ruSSischen Welt“. Es ist aber wichtig zu bemerken, dass Oleksijiwka längst ein ukrainisiertes Dorf ist. Was natürlich die antimenschlichen Handlungen seitens der militärischen Schweinehunde durchaus nicht verringert.
Dass die Menschen sich einigen, um eigene Wohnviertel zu beschützen und die Plünderer aufzuhalten, freut sehr. Die Stimmung der Menschen in Charkiw wird bestialisiert durch die Handlungen der Moskowiter. Und gemeint ist nicht etwa eine Demoralisierung, sondern gerade das Gegenteil. Na ja, der wwch [wladimir wladimirowitsch chujlo] trägt erfolgreich der Vereinigung der Ukrainer bei.
Heute wurde der Darwin-Preis unter zwei Preisträgern geteilt: ihn bekommen nämlich
– Njestor Schufrytsch, der bereits lange zwei Wochen nicht verprügelt wurde, dessen Wunsch es ist, ein Sakralopfer zu werden. Wozu denn sonst hat er die Stellung des Bataillons 206 der Territorialverteidigung fotografiert? Was war seine Logik? Von einer Logik kann keine Rede sein, es war nur Erfüllen der Befehle aus dem „Stab“.
– Militärs von zwei Teileinheiten der Schweinehunde, die einen warmen Empfang friendly fire organisierten. Als Folge sind 10+ technische Einheiten des Feindes verlorengegangen, außerdem wurde eine unbekannte Zahl der Pech-„Krieger“ zur Last 200 und 300 [tot und verletzt].
Wir glauben an die ukrainischen Streitkräfte, die Nationalgarde der Ukraine, die Territorialverteidigung, Freiwillige und Mediziner, Mitarbeiter der Kommunal– und Rettungsdienste und unterstützen sie.
Wir werden unbedingt den Sieg erringen!
Serhij Petrow