Angriff auf Charkiw, der elfte Tag, 06.03.2022

Die Nacht begann mit feindlichen Flugzeugen und dem Beschuss von Stadteilen Saltiwka und Oleksijiwka. Es traf sogar den Markt Nowosaltiwskyj am Juwilejnyj-Prospekt, den Stadtteil, der bis dahin verschon war. Deshalb wurde die einzige in Saltiwka Verteilungsstelle für Hilfsgüter wegen Beschussgefahr geschlossen.


Die Intensivität, mit der russische Angreifer am Morgen Saltiwka, Rohan und Oleksijiwka beschossen, ließ tagsüber und abends nach. Am Morgen wurden auch Pjatychatky stark beschossen – es traf die Warteschlange an einem Supermarket, wo es Verletzte mit abgetrennten Gliedmaßen gab, sowie das Charkiwer Institut für Physik und Technologie, wo eine Kernanlage “Neutronenquelle” mit 37 Kernbrennstoffzellen steht.

Die Zahl der herumfliegenden russischen Flieger ist heute größer. Der Himmel ist jetzt nur teils bewölkt (vorher war es durchgehend tief bewölkt), und nun kann die Luftverteidigung (Flugabwehrraketensysteme) voll loslegen. Laut Berichten der Staatlichen Regionalverwaltung wurden im Laufe des Tages in der Nähe von Charkiw zwei Flugzeuge abgeschossen – eins am Morgen, eins am Abend. Mit einem Wort, es war heute eine herrliche Jagt mit recht guten Ergebnissen.

Allerdings ist nicht alles so gut: Die Biester haben endlich doch den Fernsehturm von Charkiw getroffen. Eine wichtige Leitung soll beschädigt sein. Sie soll repariert werden, sobald die Gefahr weiterer Luftangriffe vorbei ist. Die Fernsehübertragung ist in der Region ausgefallen. Getroffen wurde auch ein Gebäude in der Nähe der Regionalen Staatsanwaltschaft, dieses Gebäude brennt. Beschossen wurden auch die Jaroslaw-Mudry-Straße und das Gebäude des Honorarkonsulats von Aserbaidschan. Was haben denn Chuilo und Älijew vor zehn Tagen unterschrieben, wenn Chuilo seine „Brüderchen“ so grüßen lässt? Leider ist die Genauigkeit von Luftangriffen bei klarem Wetter höher geworden. Andererseits fliegen Moskowiter nur in Gruppen von zwei Flugzeugen. Ein Flugzeug allein fliegt nicht, weil es böse enden kann.

Der Abend geht zu Ende, begleitet von Alarmsirenen, drohenden Luftangriffen und vereinzeltem Dröhnen von Artillerie.
Die humanitäre Lage in der Stadt ist schwierig, insbesondere in Saltiwka, das unter Beschuss steht. Es gibt wenig Nahrung, die städtische Versorgung fällt aus, obwohl die Kommunalunternehmen beschädigte Leitungen so weit wie möglich reparieren. In allen anderen Stadtteilen, die nicht unter schwerem Beschuss stehen, geht das Leben jedoch allmählich in Ordnung – Brot ist nicht so knapp, obwohl einige Waren, z. B. Toilettenpapier, Grütze, Eier Mangelware sind. Generell kommt es aufs Einzelhandelsnetz. In größeren lokalen Supermarktketten ist das Sortiment breiter, in nationalen – kleiner. Man muss von Supermarkt zu Supermarkt laufen, um alles zu bekommen, was man braucht.

Es gibt ebenso viele Probleme mit der Evakuierung aus der Stadt, obwohl es Initiativen gibt, die Menschen nach Poltawa oder nach Dnipro bringen. Hinzu kommt, dass es ohne öffentliche Verkehrsmittel problematisch ist, in den Westen der Stadt zu gelangen: die einzige Möglichkeit ist, sich von Freiwilligen helfen zu lassen. Nach Schätzungen hat etwas weniger als die Hälfte der Stadtbevölkerung in dieser Zeit die Charkiw verlassen. Der Menschenstrom endet jedoch nicht, und es ist schwer zu sagen, wann er sich ausschöpft. Schließlich gibt es viele Menschen in Charkiw, die auf jeden Fall bleiben. Natürlich bin ich froh, dass viele meiner Freunde und Bekannten diese Entscheidung für sich getroffen haben.

Weiterhin wird Isjum beschossen, eine weitere Stadt in der Region, die sich den Moskowitern nicht ergeben hat. Und dies ist die zweite Stadt in der Region nach dem Ausmaß der Zerstörung von Wohngebäuden und Infrastruktur. Es gibt Probleme mit Stromversorgung und Kommunikation. Isjum überrascht wirklich mit seinem Durchhaltevermögen, und Russen – mit ihrer Rücksichtlosigkeit. Auch Balaklija wurde vom Raketenwerfer „Grad“ beschossen – drei Frauen wurden dabei verletzt.

Die Gebiete Lugansk und Cherson leisten Widerstand gegen die Moskowitern und gehen auf die Straße, ohne Angst vor Maschinengewehrfeuer in die Luft zu haben. Dies ist ein echter gewaltfreier Widerstand, der Besatzer in gewissem Maße demoralisiert. Dazu sind sie nicht bereit. Das ist kein „Haufen Nazis“, von dem man ihnen erzählt hat, das ist ein Volk!

Den Darwin-Preis verdienten heute die moskowitischen Genies, die auf die Idee kamen, in Charkiw durch den Waldpark zu gelangen, nach dem Motto „Keiner merkt das“. Nichts desgleichen! Wohl hat man sie bemerkt und einen „warmen Empfang“ organisiert. Am Ende füllten die Ukrainer ihre Ausrüstungsbestände mit neuen Fahrzeugen auf, darunter Mehrzweckgeländewagen “Tigr”. Und das nicht zum ersten Mal. Nördlich der Stadt finden Gegenangriffe statt (unter anderem beim Dorf Ruska Losowa). Unsere Streitkräfte und Territorialverteidigung zermürben langsam die angreifenden Kräfte der Moskowiter.

Eine im wahren Sinne des Wortes „Scheißvorstellung“ veranstaltete ein Feuerregulierer, ein Verräter, der heute in Charkiw festgenommen wurde. Mitglied der prorussischen Partei hat sich bei der Verhaftung wörtlich in die Hose gemacht. Was für Weichei, verdammt!

Neben Charkiw und Tschernihiw (das auch ganz hart beschossen wird) ist besonders heiß jetzt westlich von Kyjiw. Dort herrscht ein Weltende und Schrecken, besonders bei Irpin: die Besatzer vernichten dort Wohnhäuser, Infrastruktur und Zivilisten. Wir wünschen den Menschen dort Durchhaltevermögen und Mögleichkeit, ihre Orte zu verlassen.

Das Moskowiterland verpuppt sich allmählich und es sieht so aus, das alles in Richtung seiner vollen Isolierung geht – unabhängiges Internet und sonstige eigene Services, ohne Anschluss an internationale Systeme. Richtig so! Amen!

Vertrauen wir und helfen unseren Streitkräften, der Nationalgarde, Territorialverteidigung, den Freiwilligen, Ärzten, Rettern, Mitarbeitern der Versorgungsunternehmer. Bringen wir den Tag unseres Sieges über die Moskowiter und die Zeit der Vergeltung für all die Gräueltaten gegen die Zivilbevölkerung in der Ukraine näher!

Foto: Telegrammkanal hueviykharkov

Autor: Serhij Petrow

Serhij Petrow ist Historiker, Analytiker des Info-Zentrums “Majdan Monitoring ” (Web-Site “Majdan”), Aktivist, Lektor der ukrainischen Wikipedia

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історик, аналітик Інформаційного Центру "Майдан Моніторинг" (сайт "Майдан"), громадський активіст, редактор української Вікіпедії