Charkiw. Chronik des Angriffs auf die Stadt, der 22. Tag (17.03.2022)

Heute ist ein schwarzer Tag in Charkiw, im wahrsten Sinne des Wortes: Charkiw ist vom schwarzen Rauch eines der größten Brände in der Stadtgeschichte umhüllt: der Markt „Barabaschowo“ brennt…

Der Markt “Barabaschowo” heute. Die Hauptverwaltung des Notdienstes der Ukraine in der Region Charkiw.
Der Markt “Barabaschowo” heute. Die Hauptverwaltung des Notdienstes der Ukraine in der Region Charkiw.

Erstaunlicherweise war es ein relativ ruhiger Tag heute – es fing mit einem nicht besonders intensiven Beschuss von Saltiwka, Rohan, Traktorwerk, Cholodna Hora, Oleksijiwka, Derhatschiw und Tschuhujiw an. Aktiv waren die Invasoren am Morgen und dann ein bisschen am Abend. Es traf heute den Stadtteil Cholodna Hora, genau gesagt eine russisch-orthodoxe Kirche. Nach dem Motto: Verprügle Freunde, damit Feinde weglaufen. Einige Häuser in der Nähe sind beschädigt, darunter eine Schule.

Aber die Moskowiter haben doch das Gewünschte erreicht – sie beschossen den Markt „Barabaschowo“, so dass seit Mittag eine dichte schwarze Rauchwolke über die Stadt steigt. Man kann behaupten, der Markt ist komplett abgebrannt. Die Zelte aus Plastik, voll von Stoff, Kleidung und ähnlichem, brennen leider sehr gut und schnell. Wie der Staatliche Notdienst meldet, schlug das Feuer auf die Einfamilienhäuser in der Nähe des Marktes über. Das ist tatsächlich beinahe der größte Brand seit 20-30 oder sogar mehr Jahren.

Tausende Kleinunternehmer verloren alles, was sie besaßen. Darüber hinaus war dieser Markt die wichtigste Absatzmöglichkeit für die Charkiwer Nähunternehmen. Und nicht nur für Nähunternehmen, sondern auch für viele andere. Viele Handelsbeziehungen sind nun kaputt, als ob es nicht genug wäre, dass Charkiw auch sonst schon gelähmt ist. Wirtschaftlich ist es für Charkiw eine Katastrophe und bedeutet das Ende eines zeitgenössischen – gefällt es einem oder nicht – Stadtsymbols.

Beim Feuerlöschen ist auf dem Markt „Barabaschowo“ ein Feuerwehrmann umgekommen. Noch einer wurde beim wiederholten russischen Artilleriebeschuss des Marktes verletzt.

Aber das ist noch nicht alles. Beschädigt sind nun auch die wichtigsten Wasserleitungen. Das bedeutet, dass es in der halben Stadt nicht nur kein Warmwasser mehr gibt, sondern auch kaltes Wasser wird es ab jetzt nur stundenweise geben: in Saltiwka, Horizont, Rohan, Traktirwerk und Nowi Budynky. In den restlichen Stadtteilen wird das Wasser mit reduziertem Druck geliefert. So sieht der Kriegsalltag von Charkiw aus.

Nachts wurde von Moskowitern die Stadt Merefa in der Nähe von Charkiw samt ihren Vororten beschossen. Zerstört ist eine Schule. Diese Schule überstand den Zweiten Weltkrieg. Ein Schulgebäude ist komplett zerbombt, bis zum Fundament. Der Russenpöbel kann nichts anderes als nur zivile Objekte zerstören! Ein Kulturpalast ist ebenfalls zerstört. Laut offizieller Information gibt es tote ukrainische Soldaten. Ewiges Andenken. Wir werden es unbedingt heimzahlen!

Beschossen wurden auch Siedlungen Solotschiw und Kosatscha Lopanj, wobei Kosatscha Lopanj von den Moskowitern besetzt ist. Der Beschuss geschah mit Streubomben- Die Geschosse trafen in Kosatscha Lopanj die Bahnhofsstation und einige Wohnhäuser, dabei blieben alle moskowitischen Militärs heil. So sieht die „Versöhnung“ auf dem von ihnen besetzten Territorium… Leider gibt es Tote und Verletzte. Außerdem werden die Bewohner auch anderer von dem Russenpöbel besetzten Grenzorte den Repressalien unterworfen. Es fehlt an Elektrizität, Kommunikationen, Essen, die Menschen sind daher gezwungen, sich nach drüben zu retten.

Die Situation in der Stadt Isjum ist prekär. Es dauern Kämpfe und es erweist sich als unmöglich, mit humanitärem Konvoi in die Stadt zu kommen bzw. Menschen aus der Stadt in Sicherheit zu bringen. Die Bewohner der Stadt sind von der Welt abgerissen, haben keinen Strom, kein Wasser, nichts, was zum Leben nötig ist. Die Verstorbenen werden direkt in den Innenhöfen begraben. So also sieht die Hölle aus… Dazu noch haben die Raschisten das Mahnmal des Zweiten Weltkriegs auf dem Hügel Kremjanets zerstört … Der Versuch, Isjum durch Übergang des Flusses Siwerskyj Donets an einer anderen Stelle zu umgehen, ist komplett gescheitert – unsere Jungs haben den Militärkonvoi des Russenpöbels zerschmettert!

Auch nach Wowtschansk humanitäre Hilfe zu bringen ist momentan nicht möglich. In der Siedlung Welykyj Burluk wurde von den Russen der Vorsitzende der Dorfgemeinde Wiktor Tereschtschenko gekidnappt. Die Entführung der Vertreter der lokalen Verwaltung gehört zu den letzten Argumenten im Moskowiterdruck und erhöht die Taxe bei dem Gefangenenaustausch. Es ist ein traditionelles raschistisches Verfahren. 2019 habe ich Welykyj Burluk besucht und konnte mich persönlich mit Herrn Tereschtschenko unterhalten. Er ist ein patriotisch gesinnter Mensch, der die ihm anvertraute Dorfgemeinde schätzt.

Die beste Tagesnachricht war die Nachricht über die starken Balken im Luftschutzkeller unter dem Dramatheater in Mariupol. Die Tragekonstruktion hat die Explosion ausgehalten, es gibt Überlebte im Keller. Das ist eine hervorragende Nachricht. Doch der Zynismus der Moskowiter ist dermaßen grenzenlos, dass man keine Worte für den Kommentar finden kann: sogar auf den Satellitenfotos sind große Aufschriften in russischer Sprache beiderseits des Gebäudes sichtbar, auf denen deutlich das Wort „Kinder“ steht. Leider ist wohl kein einziges Kriegsverbrechen übriggeblieben, das die Moskowiter unter dem Decknamen „Sonderoperation“ nicht begangen hätten… Wut überflutet mich!!!

Abschließen möchte ich heute positiv: das erste, was Lehrer und Schüler aus einer zerbombten Schule im Charkiw-Gebiet gerettet haben, waren unsere ukrainischen blau-gelben Fahnen. Wir werden den Sieg unbedingt erringen, denn die Moskowiter können es einfach nicht begreifen, mit was für Menschen sie hier zu kämpfen haben, wer sich ihnen hier entgegensetzt!!

Den Darwin-Preis erhalten heute gleich zwei Personen: der Mischa Dobkin, der am 22. Kriegstag aus der Anabiose erwachte und über Selenskyj schrieb, der sei „der Unsere“, und Tolja Schmarij, der Dobkin dafür kritisierte. Als Folge verprügelten sie einender mit Flüchen. Täubchen, Liebe sollte euch beide vereinigen!

Wir stehen unserem Militär bei – den ukrainischen Streitkräften, der Nationalgarde der Ukraine, der Territorialverteidigung, wir helfen den Freiwilligen, dem medizinischen Personal, den Rettern und Mitarbeiter*innen der Kommunaldienste. Unterstützen wir einander in diesen schwierigen Tagen. Wir glauben an die Ukraine und wissen, dass wir den Feind besiegen!

Serhij Petrow

Über Сергій Петров 249 Artikel
історик, аналітик Інформаційного Центру "Майдан Моніторинг" (сайт "Майдан"), громадський активіст, редактор української Вікіпедії