Seit vier Wochen dauert die großangelegte Moskowiterinvasion in der Ukraine an. Und seit vier Wochen verteidigt sich, kämpft und hält Charkiw durch. Die westlichen Militärexperten vermuteten, die Stadt werde nicht länger als ein paar Stunden stehen und nun dauert die Stadtverteidigung schon vier Wochen! Und Charkiw wird sich weiter verteidigen und durchhalten. Die Moskowiter sind nicht imstande, diese Stadt einzunehmen!
Heute war der Tag recht ruhig. Verhältnismäßig. Das heißt, es gab weniger russischen Beschuss als gestern. Einer der ruhigsten Tage; es gab nicht so viele in den letzten zwei Wochen, seitdem die Intensität des Beschusses nachgelassen hat. Aber das war nicht überall so, denn die Nacht und der Morgen waren zum Beispiel in Nord-Saltivka und dem Rest von Saltivka ziemlich “bewegt”. Es ist bekannt, dass einige Wohngebäude und Bildungseinrichtungen beschädigt sind. Beschossen wurden auch andere Gebiete, die ständig unter Beschuss stehen, das heißt Rohan, Traktorwerk, Oleksijiwka, zum Teil Derhatschi. Ab Nachmittag war es fast ruhig und erst am Abend gab es eine Intensivierung, aber nur geringe. Gegen 20 Uhr wurde jedoch vom Charkiwer Luftverteidigungssystem ein Marschflugkörper abgeschossen. Und gegen 22 Uhr war im Zentrum und in verschiedenen Teilen der Stadt eine mächtige Explosion zu hören. Wir warten auf offizielle Informationen.
Beim Dokumentieren der Charkiwer Zerstörungen wurde festgestellt, dass die Raschisten das Denkmal für die in Charkiw erschossenen polnischen Offiziere sowie das Denkmal für die Opfer des Totalitarismus in Pjatychatki beschossen und zerstört hatten. Es gibt dort zerschlagene Gedenktafeln mit Namen, verbrannte Stelen, Blindgänger, die teilweise direkt in Gräber getroffen haben. Dies ist ein weiteres Kriegsverbrechen und Vandalismus. Die Russen töten die von ihnen bereits ermordeten Polen und Ukrainer noch einmal, jetzt nach ihrem Tode!
Die Stadt erholt sich langsam und kommt aus der Anabiose heraus. Es gibt immer mehr Autos auf den Straßen, immer mehr Tankstellen verkaufen Sprit. Und jetzt werden manche Kreuzungen wieder zu echten Herausforderungen für Autofahrer, da viele Menschen schon daran gewohnt sind, schnell zu fahren und Verkehrsregeln zu ignorieren. Natürlich kann man dieses Verkehrsaufkommen mit dem aus der Vorkriegszeit noch nicht vergleichen, aber die Straßen sind doch tatsächlich nicht mehr so leer wie vor einer oder anderthalb Wochen.
Das Warenangebot der Supermärkte wird in den Wohnvierteln, wo nicht geschossen wird, breiter. In manchen davon funktionieren sogar Abteilungen für Fertiggerichte wieder! Immer mehr Geschäfte und Apotheken öffnen, und auf einigen Märkten, die nicht vom Beschuss betroffen sind, herrscht reges Treiben. All dies geschieht jedoch hauptsächlich in in Stadtteilen, in denen nicht geschossen wird oder in denen die Intensität des Beschusses erheblich abgenommen hat. Die größten Probleme gibt es jedoch in Saltiwka, Horizont, teilweise am Traktorwerk – einige Wohnhäuser sind ohne Heizung, andere ohne Strom. Es gibt Wohnviertel, wo es gar nichts mehr gibt, nur kaltes Wasser stundenweise, und es gibt große Wohnsiedlungen mit nur einem Supermarkt, begrenztem Warenangebot und langen Warteschlangen.
Nach Angaben der Stadtverwaltung wurden infolge des Beschusses, Luft- und Raketenangriffen auf Charkiw mehr als 1.170 Gebäude in der Stadt beschädigt, davon fast tausend Wohngebäude (sowohl Hochhäuser als auch Einfamilienhäuser). Von den beschädigten Gebäuden sind über 50 Prozent vollständig zerstört. Viele Trümmer zerbombter kaputter Gebäude werden nicht nur von den Rettungskräften (ihre Kapazitäten sind begrenzt), sondern auch von Freiwilligen abgebaut. Es gibt viele solche Objekte in der Stadt. Die Ruinen des Gebäudes der Regionalen Staatsverwaltung Charkiw werden immer noch abgebaut. Heute wurde die Leiche des 24. Opfers des Raketenangriffs vom 1. März 2022 gefunden – der freiwilligen Helferin Waleria Jutina.
Trotz aller schrecklichen Sachen sind Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der kommunalen Versorgungsunternehmen aktiv: sie halten die Stadt sauber und fahren den Müll raus. Dies macht sich besonders in der Innenstadt bemerkbar. Heute habe ich gesehen, wie eine Bewässerungsmaschine Winterschmutz von einer der zentralen Straßen der Stadt wegspülte. Solche Bilder kommen einem angesichts des Krieges echt surreal vor.
Mit Sandsäcken wird das historische Denkmal der monumentalen Kunst, das Taras-Schewtschenko-Denkmal beschützt. Während des Zweiten Weltkriegs blieb das Denkmal unberührt.
Genauso aktiv wurde tagsüber das Zelt „Alles für den Sieg“ wiederhergestellt, das am 1. März 2022 beschädigt wurde. Können Sie bei den Repparaturen helfen, vielleicht auch finanziell, wenden Sie sich bitte an Boris Redin. Es werden sowohl Hilfe für das zerstörte Zelt, als auch Hilfe für Bedürfnisse der Freiwilligen dringend gebraucht.
Aus dem Öko-Park wurden Schildkröten und Affen gerettet. Diese rührende Geschichte ist bei weitem nicht die einzige. Aus einem Brand haben die Feuerwehrleute ein von den Besitzern verlassene Kaninchen gerettet – jetzt ist das Kaninchen der Liebling des ganzen Feuerwehrteams. Die Liebe zu Tieren unterscheidet uns deutlich von den Raschisten, die die Tiere vernichten.
Von den zehn gestern bei Raketenbeschuss in der Stadt Losowa verwundeten Personen sind vier in einem sehr schweren Zustand. Ein beträchtlicher Teil der Privathäuser ist beschädigt, etwa 20 solche Wohnhäuser sind völlig zerstört bzw. können nicht mehr wiederaufgebaut werden. Beschädigt sind eine Schule, ein Kindergarten, ein Heizwerk. Inzwischen ist übrigens die Wärme erneuert worden.
In Isjum dauern lokale Kämpfe nach beträchtlichen Verlusten der Moskowiter weiter. Heute wurden zum Beispiel nicht weit von Isjum zwei Flugzeuge abgeschossen. Da es aber keinen Verkehrskorridor gibt, bleibt es eine unrealistische Aufgabe, humanitäre Hilfe in die Stadt zu bringen und Menschen aus der Stadt zu evakuieren. Die Stadt ist stark zerstört, mehrere Häuser sind beschädigt und zerstört, ein Teil davon komplett. Man bekommt Videos zu sehen, auf denen menschliche Leichen mitten auf den Straßen liegen… Schrecklich!
In von Raschisten besetztem Wowtschansk im Charkiwer Gebiet wurde heute „humanitäre Hilfe“ verteilt, nachdem die Menschen ihre ukrainischen Pässe vorwiesen und in einer Liste ihre Unterschrift hinterließen. Gleichzeitig erschienen in der Stadt Plakate, wo die Menschen davor gewarnt wurden, von den Moskowitern humanitäre Hilfe zu nehmen. Auf den Plakaten stand außerdem, Wowtschansk sei die Ukraine und an die Russländer wandte man sich, sie sollten nach Hause zurückkehren. Anonyme Patrioten leisten Widerstand!
Zu allem Übel haben die Moskowiter den Vorort das Alte Saltiw beschossen, das von ihnen bedingt kontrolliert wird. Dabei ist die Sekretärin des Dorfrats Halyna Kursatschowa ums Leben gekommen, als sie versucht hat, in den Luftangriffskeller zu gelangen. Zwei weitere Personen sind verwundet.
An einem der Fahnenmäste in Enerhodar wurde eine rote Fahne gehisst, ein Atrappé der Siegesfahne. Anonym gebliebene Aktivist_innen haben diesen Lappen runtergenommen und verbrannt. Die Invasoren sollen endlich verstehen, dass da kein Platz für diese Lappen ist. Bei uns dauert ja die Entkommunisierung!
Die Invasoren haben Informationen verbreitet, etwas sei in die Dörfer des Bjelgorod-Gebiets angeflogen, wonach dort der außerordentliche Zustand eingeführt würde. Noch eine moskowitische Provokation, vor der die Militärführung im Charkiwer Gebiet gewarnt hat. Die Moskowiter sollten sich etwas Originelleres einfallen lassen.
Der heutige Darwin-Preis geht eindeutig an dima pjeskow, der im Interview für CNN versicherte, die Moskowiter hätten die „Sonderoperation“ mit dem Ziel begonnen, moskowien zu vernichten. Auf die konkretisierende Frage der Moderatorin „Was? russland?“, antwortete pjeskow: ganz russland. Einfach wunderbar!!
Wir danken unserem Militär für den heutigen Tag und im Allgemeinen für diese vier Wochen Widerstand den Raschisten. Unterstützen wir Freiwillige, Mediziner, Retter und Kommunalarbeiter. Helfen wir einander, auch psychologisch und mit Gesprächen. Bringen wir unseren Sieg immer näher!