Charkiw. Chronik des Angriffs auf die Stadt, der 27. Tag (22.03.2022)

Der heutige Tag war ruhiger, als der zuvor, obwohl das sich nicht in allen Stadtteilen spüren ließ. Aber es gab doch nicht so viel Beschuss.
Nach den Abendbeschüssen haben sich die Moskowiter bis zum Morgen beruhigt. Weiter ging der Beschuss etwa um 6-7 Uhr morgens. Früher fingen sie um 4 oder 5 Uhr an, aber der Munitionssatz scheint kleiner zu werden. Der Morgen und Vormittag waren ziemlich aktiv, aber generell weniger als an den zwei Tagen zuvor. Am Nachmittag ist es ein wenig ruhiger geworden, und auch der Beschuss am Abend war nicht allzu intensiv. Wie gehabt, die am meisten beschossenen Stadtteile waren Saltiwka Nord (es gab dort viele Treffer am Abend und ein bisschen in der Nacht) und die Nachbarsiedlungen von Saltiwka, Welyka Danyliwka, Horizont, Rohan mit dem Traktorwerk und Derhatschi.

Die Innenstadt von Charkiw heute. Foto: Natalia Zubar
Die Innenstadt von Charkiw heute. Foto: Natalia Zubar

Häuser werden zerstört, dazu kommen noch Brände, manchmal starke, Supermärkte werden zerbombt oder brennen ab. Um in den beschossenen Stadtbezirken Lebensmittel einzukaufen, muss man sich sehr anstrengen. Die Menschen werden praktisch aus den Vororten vertrieben, viele bleiben jedoch und leben mutig unter dem Beschuss.
Erfreulicherweise werden die raschistischen Versuche, sich an Charkiw zu nähern, schon an fernen Zugängen gestoppt. Die Moskowiter verlieren Technik und Personal, nun führen sie Plackerbeschuss der Stadt aus der Ferne.
Unter Beschuss bargen die Rettungskräfte alles, was von dem ehemaligen KZ-Häftling Boris Romantschenko übrig blieb – die Wohnung brannte ab und es gab danach nur verbrannte Knochen… Das ist einfach eine unglaubliche Grausamkeit der Moskowiter, schlimmer als Nazis. Das ist unvorstellbar!!!
Die wichtigsten Ereignisse fanden jedoch heute in der Region statt. Erstens wurde Losowa mit Raketen beschossen – sie schlugen auf den friedlichen Viertel mit Einfamilienhäusern. Nach der Information der Verwaltung von Losowa, ist ein Mensch umgekommen und zehn Personen sind verletzt, davon zwei schwerverletzt. Zuerst Wohnviertel für Militärobjekte erklären und danach sie beschießen – das ist Lieblingstaktik der Raschisten.
Zweitens dauern die Kämpfe in Isjum an. Misslungene Versuche, die Stadt einzunehmen, führten zu Verlusten bei Schweinehunden. Das 254. Motorisierte Schützenregiment der 144. Motorisierten Schützendivision hatte große Verluste, unter anderem wurde der Regimentskommandeur getötet. Unsere Jungs sind echt geil! Das Regiment wurde für die „Wiederherstellung der Kampffähigkeit“ zurückgezogen.
In besetzten Gebieten der Region Charkiw benennen die Invasoren ihre Gauleiter. Nicht immer gelingt es ihnen dafür einen Einheimischen zu finden. In Wowtschansk fanden sie niemanden außer einem Banditen, der sogar einmal auf der Fahndungsliste stand, – Dmytro Tschyhyryniw. Die Besetzer verteilten heute humanitäre Hilfe. Dabei ließen sie die Moskowiterhymne spielen und streckten die Moskowiterfahne im Stadtzentrum heraus. Ihre Fahnen hängen auch auf dem Rathaus und am Polzeigebäude. Das Schild an der Stadteinfahrt versuchten sie auf russische Art zu korrigieren – “Woltschansk”. Die Einheimischen jedoch korrigierten das bald zurück.
In Kosatscha Lopan wurde Witalij Hantschew zum Vorsitzenden der Verwaltung erklärt. Bis 2014 war er stellvertretender Polizeichef in einem Vorort von Charkiw, 2014 zog er nach Luhansk um. Auf dem Propaganda-Video ließ sich die Obmännin des Kosatscholopanski Bezirkes Ludmila Wakulenko an der Seite von Hantschew blicken.
Außerdem verüben Raschisten auf den besetzten Territorien Gräueltaten gegenüber den friedlichen Bewohnern – so wurde aus einem Panzer das Auto erschossen, in dem eine Familie saß und mit einer weißen Fahne schwenkte. Die Eltern und ihre 9-jährige Tochter kamen ums Leben und der 17-jährige Junge wurde verletzt. Insgesamt wurden im Krieg schon 117 Kinder getötet, die Zahl wird mit jedem Tag größer. Dabei sind uns die Zahlen aus Mariupol und Umgebung, aus Isjum noch gar nicht bekannt … Die Russländer sind hier, um uns zu töten, nämlich alle, wahllos. Das ist eine sichere Tatsache.
Auch wurde heute früh bei Nowa Wodolaha eine Rakete abgeschossen, deren Ziel offensichtlich Charkiw war. Eine gut funktionierende Flab ist eben das, was Charkiw braucht!!
In der Nähe von Rubischne und Sjewerodonjetsk, die unter ständigem Beschuss der Raschisten sind, werden Kämpfe geführt. In Sjewerodonjetsk haben die Raschisten eine Menschenschlange vor dem Lebensmittelgeschäft getroffen. Leider gibt es Tote und Verletzte.
Der Dienst des lieben Gottes funktioniert – so wurde heute für die Kollaboration mit Raschisten Dmytro Tychonenkow, der Anwalt von allen möglichen Bastarden, darunter der Anti-Maidan-Anführer, der Typen, die den friedlichen Straßenzug bei Sportpalast im Jahre 2015 mit Granaten bewarfen, und anderen festgenommen. Dazu noch ist er Abgeordneter im Charkiwer Bezirksrat von der prorussischen Partei Oppositionsplattform für das Leben. Jetzt muss er wegen Hochverrats seine Abgeordnetenstelle lassen. Das Wichtigste ist nur, dass er nicht freigelassen wird.
Und das Mitglied des politischen Rats der Partei „Diener des Volkes“ Wadym Sljusarew, der das Gebiet Charkiw kuratierte und als Ex-Grenzdienstleiter bekannt ist, verließ am 18. Februar die Ukraine und ging nach Russia zwecks „des ständigen Wohnsitzes“, wo er sich seitdem befindet. Ich bin gespannt, ob er vielleicht in der Charkiwer Region als der nächste Gauleiter auftauchen wird???
Über der raschistischen Botschaft in Warschau steigt der schwarze Rauch – dort werden Dokumente verbrannt, die Mitarbeiter der Botschaft bereiten sich auf die Evakuierung nach dem ersten Befehl vor. In Kyjiw haben sie eine Woche vor dem Angriff auch Dokumente verbrannt. Der ch-lo [putin] scheint Polen Angst einjagen zu wollen für die Unterstützung der Ukraine und für den polnischen Vorschlag, die Friedensstifter in die Ukraine zu entsenden. Ich bin gespannt, ob es sein Bluff ist oder ob er real bereit ist, auf mehreren Fronten gleichzeitig Krieg zu führen??
Die Einwohner von Cherson haben sich heute schon wieder zum Protest versammelt. Die Moskowiter versuchten, die Menschen mit Tränengas zu verscheuchen, aber nachdem der Gas sich zerstreut hatte, kamen die Menschen erneut zusammen und setzten ihre Protestaktion fort. Diese Menschen sind so mutig. Die Ukraine ist stolz aus sie, die Ukraine bewundert sie!
Sehr erfreulich ist es, dass das Massachusetts-Institut für Technologie ein Lehrprogramm für ukrainische Schüler_innen stiftet, als Gedenken an die Charkiwer Mathematikerin, Lehrerin und Freiwillige Julija Sdanowska. Wir danken für diese Initiative und für das gebührende Andenken!
Den heutigen Darwin-Preis erhält ein anonymer Raschist aus Sewastopol, der eine Videoaufnahme machte, wie aus einem Kriegsschiff Raketen auf die Ukraine geschossen werden. Ein wunderschönes Video für Den Haag, was kann man hier anderes sagen.
Wir danken unserem Militär für die Abwehr den Moskowitern. Helfen wir unserem Militär, unseren Freiwilligen, Medizinern, Retter_innen, Mitarbeiter_innen der Kommunaldienste. Unterstützen wir einander, denn es gibt sehr viele Menschen, denen es psychologisch sehr schwer geht. Wir wissen fest, dass alles unbedingt die Ukraine wird!

Serhij Petrow

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історик, аналітик Інформаційного Центру "Майдан Моніторинг" (сайт "Майдан"), громадський активіст, редактор української Вікіпедії