Charkiw. Chronik des Angriffs auf die Stadt, der 70. Tag (04.05.2022)

Zehn Wochen dauern die moskowitischen Angriffe auf die Stadt. Zehn Wochen lang befindet sich Charkiw unter Beschuss. Man kann diese zehn Wochen, d.h. fast ein Fünftel eines Jahres, als eine Art erstes Jubiläum bezeichnen. Es gab keinen einzigen Tag, wo es keinen Beschuss gab. Im Vergleich zu den vorigen Wochen ist es jetzt ruhig. Das, was jetzt die Charkiwer meistens hören, ist die gute Arbeit unserer Verteidiger.

Eines der Häuser im Zentrum Charkiws. Bild: Natalia Subar, CC BY-SA 4.0
Eines der Häuser im Zentrum Charkiws. Bild: Natalia Subar, CC BY-SA 4.0

Die moskowiter halten Derhatschi, Slatyne, Prudjanka, Besruky unter Beschuss. Zwei Tage hintereinander ist der Himmel darüber stark verraucht. Ein besonderes Thema ist der Beschuss von Solotschiw. Heute gab es einen Treffer in den Hof des 97-jährigen Kriegsveterans – die Splitter trafen seinen Wagen und beschädigten das Haushaltsgebäude. Der Veteran des 2. Weltkriegs selbst blieb unversehrt. Als Entnazifizierung die Vernichtung der Menschen zu verstehen, die gegen die Nazis kämpften, ist ganz und gar im Stil der raschisten.

Es wird bei Staryj Saltiw gekämpft. Die Einheimischen wurden von dort meistens evakuiert. An Videoaufnahmen und auf Fotos sieht man, dass die Siedlung stark beschädigt ist. Die Erholungsheime am Ufer des Petschenig-Stausees sind komplett ausgeplündert. Mitgenommen wurden nicht nur bereits traditionelle Klomuscheln, sondern Türen, Fenster und Linoleum. Man kann allerdings noch nicht über eine tatsächliche Befreiung Saltiws sprechen. Aber unsere Jungs arbeiten hart daran.

Da es warm ist, sieht man Menschen draußen. Es gibt allerdings nur wenige Menschen, weil über die Hälfte der Einwohner die Stadt verlassen hat. Eine Million, wie es der Bürgermeister Terechow behauptet, gibt es sicher nicht. Sein Ziel ist verständlich: er möchte damit den Umfang der humanitären Hilfe für Charkiw vergrößern. Ich höre immer öfter Gerüchte, dass ein großer Teil der humanitären Hilfe, zwischen 15 und 25 % gestohlen wird und dass der Charkiwer Bürgermeister auf irgendwelche Weise damit verbunden ist, dass die Waren, die als Hilfe in die Stadt kommen, nach durchdachten Schemen verkauft werden.

Das ist just a business. Ich lasse das am liebsten ohne Kommentar. Der Stadtzar regiert nach eigenem Wunsch unter Deckung des Kriegszustands. Solange wir einen solchen Bürgermeister haben, wird keiner hier eine Wohnung ohne Schmiergeld bzw. Bezahlung erhalten können. Für solche Typen wie Terechow ist der Krieg eine großartige Gelegenheit sich zu bereichern. Das bedeutet, dass Charkiw Feinde nicht nur auf der nördlichen Richtung hat, sondern auch in der Stadtverwaltung.

Man sollte statt Terechow hier eine militärische Stadtadministration ernennen – dass ein Militär nicht für Blumen auf Plätzen, sondern für die Sicherheit der Menschen sorgen würde – Bombenunterschlüpfe, Sorge um ältere einsame Menschen, Evakuierung aus den zerschlagenen und gefährlichen Stadtteilen. Charkiw braucht dringend eine neue Macht! Das war es! Nach dem Krieg soll wiederholte Bürgermeisterwahl stattfinden.

Zur Lage im Gebiet. Die ist in Slowjansk-Richtung und Barwinkowe-Richtung schwer. Unsere wunderbaren Streitkräfte halten die Defensive. Vor Ohnmacht machen sich die moskowiter an die Orte, die bisher kaum beschossen wurden: im Dorf Salyman kam ein Mensch um, im Losiw Rayon wurde ein Kind verletzt.

In der Operationszone der Vereinten Kräfte dauern schwere Kämpfe, bei Lyman, Jampil, Rubischne, Sjewerodonetsk, Popasna, Awdijiwka, Marjinka, Welyka Nowosilka, Huljajpole und Orichiw.

Von den besetzten Territorien wird das Getreide weggebracht, es wurden bereits etwa 400 000 Tonnen ausgefahren, d.h. etwa ein Drittel der vorhandenen Bestände. Bauern pflanzen nichts an, so dass die Einwohner­_innen der besetzten Gebiete im Winter hungern werden. Aber auch auf dem Rest der ukrainischen Territorien ist die Situation alles andere als leicht. Eben deshalb sind die sogenannten Siegesgärten eine wunderbare Lösung. Wer auch immer eine Möglichkeit hat, sollte ein Maximum an Gemüse anbauen. Für sich, für der Osten und für Süden der Ukraine. Danke!

Auf dem Territorium der Ukraine dauern massive Raketenanschläge an. Dnipro, Kropywnytskyj werden beschossen mit dem einen Ziel – die Eisenbahninfrastruktur zu vernichten, damit wir keine Möglichkeit haben, unser Militär an der Front mit allem Nötigen zu versorgen. Leider wird solche Situation lange dauern. Wir müssen es lernen, die beschädigte bzw. zerstörte Infrastruktur zu erneuern.

Die großflächige Invasion der mosskowiter war für viele Menschen wie kalte Dusche – 87% haben keine Sehnsucht mehr nach der sowjetunion. Eine so hohe Zahl hat es bisher noch nie gegeben. Das ist Dekolonisierung. Nur – was für hoher Preis muss für die Änderungen im Bewusstsein der Menschen bezahlt werden…

Zur Situation in moskowien. Erstens ist das Öldepot in Makijiwka, das sich jetzt in der sogenannten Donetzker Volksrepublik befindet, teilweise niedergebrannt. Zweitens flammte ein Tank mit Lösungsmittel in der Stadt Dserzhynsk im Gebiet Nizhnij Nowgorod auf. Immer öfter brennen in moskowien Militärdienststellen.

Wir danken unserem Militär und den Streitkräften für die Verteidigung, wir glauben an ihren Erfolg und an den Sieg der Ukraine!

Serhij Petrow

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історик, аналітик Інформаційного Центру "Майдан Моніторинг" (сайт "Майдан"), громадський активіст, редактор української Вікіпедії