Charkiw. Chronik des Angriffs auf die Stadt, der 20. Tag (15.03.2022)

Es war ein interessanter Tag, schon allein deswegen, weil er ganz klar in zwei Teile zerfiel – der Vorabend, die Nacht und der Tag bis 15 Uhr, als die Stadt sehr intensiv beschossen wurde; und nach 15 Uhr, als es plötzlich still wurde. Diese Stille war, ehrlich gesagt, etwas unheimlich. Und am Abend ging wieder der Beschuss los.

Ein zerstörtes Haus in Charkiw. Die Hauptverwaltung des Staatlichen Notdienstes der Ukraine in der Region Charkiw.
Ein zerstörtes Haus in Charkiw. Die Hauptverwaltung des Staatlichen Notdienstes der Ukraine in der Region Charkiw.

Angefangen hat das alles noch am Vorabend und in der Nacht ging weiter. Die Nacht war sehr unruhig, Explosionen ertönten die ganze Zeit. Schon lange keine solche Nacht erlebt. Die Moskowiter beschossen Saltiwka, Pjatychatky, Oleksijiwka, Pawlowe Pole. Zhukowski-Siedlung, Luftfahrthochschule, Rohan, Traktorwerk und Nowi Budynky – generell alle Stadtteile, die bis jetzt unter Beschuss standen. Der Beschuss war intensiv, angeschlagen wurden mehrere Wohnhäuser und Bildungseinrichtungen. Nowi Budynky wurde vom Flugzeug bombardiert. In der Nähe der Innenstadt wurden die Stadtbezirke Salopan und Sacharky beschossen (Leider ist das Elektronikgeschäft Foxtrot in der Gagarin-Straße zerbombt; schade, ich habe dort ab und zu Technik gekauft).

Nach offiziellen Angaben fanden die intensivsten Kämpfe in der Gegend von Ruski Tyschki und die Belgorod-Autobahn entlang, Richtung Pjatychatki statt – die Moskowiter beschlossen, erneut in die Offensive zu gehen, aber in beiden Fällen haben unsere Soldaten ihnen ordentlich gegeben, so mussten sich die Invasoren zurückziehen. Anderenorts gab es weniger intensive Kämpfe. Unsere Artillerie hat tüchtig gearbeitet.

Und etwa nach 15 Uhr ist es still geworden. Eine absolute Stille. Eine gespannte Stille. Und so blieb es bis zum Abend, als Moskowiter mit dem Beschuss verschiedener Stadtteile wieder loslegten. Am kräftigsten hat wieder Saltiwka abgekriegt.

Unser Militär liquidierte übrigens bei Charkiw noch einen russischen Boss – den Kommandeur des 252. Motorisierten Gardeschützenregiments. Ich kann gar nicht mehr zählen, wie viele solche Oberstleutnante, Oberste und Generäle beim Ansturm Charkiws gefallen sind – ein unglücklicher Ort für die Rote Armee. Vor 15 Jahren schrieben die russischen Autoren darüber in ihren Büchern. Jetzt müssen sie sich selbst dessen vergewissern.

Daran, dass die totale Vernichtung der Häuser und Infrastruktur vom Chujlo selbst verordnet wurde (wie Denyssenko meinte), glaube ich. Anders kann ich die Tollwut gegenüber Charkiw, Mariupol und anderen Städten nicht erklären. Und es geht dabei nicht nur von Charkiw (Denyssenko hat eigentlich nur Charkiw erwähnt), sondern auch von anderen Städten.

Und nun über die Zerstörungen. Es gibt kritische Zerstörungen, wenn das Haus ernsthaft beschädigt ist und entweder gründlich saniert oder komplett abgerissen werden muss. Manchmal sind es Strom-, Wärme- und Wasserausfälle, die das Gebäude unbewohnbar machen. Manchmal fällt nur ein Element der Versorgung aus, was die Lebensqualität verschlechtert, aber man kann doch darin weiterhin wohnen. Natürlich ist die Kälte in den Räumen mit eingeschlagenen Fenstern auch nicht ok, aber einige Familien überleben dort trotzdem. Selbst in den ständig beschossenen Gebieten sind in den meisten Häusern die Fensterscheiben noch intakt (das heißt, es gibt Häuser, wo überhaupt keine Fenster beschädigt sind), mit Ausnahme des Stadtteils Saltiwka Nord, der am meisten abbekommt. In den übrigen Stadtteilen gibt es keine Zerstörungen und das einzige, was an die Kämpfe um Charkiw erinnert, das sind die gelähmte Stadt, immer wieder ertönende Explosionen und wenig geöffnete Läden. Systematisch beschossen werden Vororte. Andere Treffer – von Raketen oder Uragans – sind sehr lokal. Daher wirkt das Bild auf Fotos und in Beschreibungen generell schrecklich, aber in Wirklichkeit ist es nicht so schlimm und kritisch, obwohl es auch Nuancen gibt.

Ähnlich in der Innenstadt: Es gibt in einigen Stadtvierteln nach Raketen- und Flugangriffen ausgeschlagene Fenster. Sonst ein ganz friedliches, stilles und ruhiges Leben.

Nun zur Situation im Gebiet. Eine kritische Situation, eine humanitäre Katastrophe gibt es in Isjum. Wasser, Lebensmittel, Strom, Heizung, Verbindung gibt es nicht. Es ist unmöglich, die Menschen aus der Stadt zu evakuieren oder mit humanitärem Konvoi in die Stadt zu kommen. Die Situation in Isjum ist mit der Situation in Mariupol vergleichbar. Mit dem Unterschied, dass Mariupol umzingelt und Isjum geteilt ist. Wegen der Dauerkämpfe gibt es keine Möglichkeit, die Toten zu beerdigen, so können in der Stadt ohne Evakuierung und humanitäre Hilfe bald Epidemien ausbrechen.

Andererseits gelang es schließlich, mit der Evakuierung der Patienten und des Personals des psychoneurologischen Internats in Oskil anzufangen. Das ist eine sehr gute Nachricht. Das Internat wurde vor kurzem von den Schweinehunden bombardiert.

Die Invasoren aus Kosatscha Lopanj haben heute die Siedlung Solotschiw unter Beschuss gehalten, es gibt Tote und Verletzte. Gewohnt hört sich schon der Beschuss in Derhatschi und Tschuhujiw. Für das Gebiet im Allgemeinen war der Tag mehr oder weniger ruhig, denn die Hauptkämpfe dauerten heute in der Nähe von Charkiw.

Man kann darüber lachen, wie die prorussische Partei „Oppositionsplattform für das Leben“ von den Abgeordneten verlassen wird, wie etwa vom Charkiwer Parteimitglied Oleksandr Feldmann – nachdem der Ökopark zerbombt worden ist, ist auch die Liebe zur Partei weg. Doch wir werden nichts vergessen. Auch seine Aussagen über ukrainische Nazis und Antisemiten. Das wird aus unserem Gedächtnis nicht gelöscht!

A propos Oppositionsplattform. Der Abgeordnete des Dorfrats in Solonytsja wurde wegen seiner Aufrufe verhaftet, dass die Moskowiter das Charkiw-Gebiet bald besetzen und seine Partei auf dem Weg zur Machtergreifung unterstützen würden. Da muss ich noch einmal wiederholen – die Oppositionsplattform ist für immer und ewig zu verbieten und alle Mitglieder dieser Partei auf die Tatsache der Kollaboration mit den Besetzern zu überprüfen.

Ukrainische Streitkräfte, Nationalgarde der Ukraine, Territorialverteidiger und Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes nehmen die Hinweisgeber und Verräter der Ukraine gefangen. Es muss gesagt werden, dass sowohl private Personen über verdächtige Personen informieren, als auch die Sicherheitsstrukturen diesbezüglich präventiv arbeiten. Am besten ist es über allen Maß wach zu sein. In einer solchen Zeit leben wir nun.


Die Dorfgemeinde Blyzniuky hat Trolling betrieben, indem sie über Prozorro Tender für den Kauf von 500 gebrauchten gebrannten russischen Panzer für die Summe 100 Mio. Hrywnia in der Kategorie „gebrauchte Traktoren“ erklärt hat. Was damit gemacht werden kann – keine Ahnung, höchstens als Altmetall und Ersatzteile. Aber im Haushalt kann alles gebraucht werden.

Der Darwin-Preis geht heute an russische Luft- und Weltraumkräfte, die schon zum dritten Mal ihre technischen Mittel auf dem Flugplatz in Tschornobajiwka (Cherson) stationieren, die schon zum dritten Mal von der Artillerie der ukrainischen Streitkräfte vernichtet werden. Man kann jetzt den Flugplatz nicht einmal für Helikopter oder ähnliches gebrauchen – die ganze Gegend wird beschossen.

Wir sind unserem Militär für noch einen Tag dankbar. Helfen wir unseren Streitkräften, der Nationalgarde, der Territorialverteidigung, unterstützen wir unsere Freiwilligen, unsere Mediziner, Retter und Kommunaldienste. Wir glauben an uns, wir helfen unseren Nächsten und Freunden und unterstützen sie, und so rückt unser Siegestag immer näher!

Serhij Petrow

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історик, аналітик Інформаційного Центру "Майдан Моніторинг" (сайт "Майдан"), громадський активіст, редактор української Вікіпедії