Charkiw. Chronik des Angriffs auf die Stadt, der 53. Tag (17.04.2022)

Noch ein schwieriger Tag für die Stadt und ihre Einwohner. Einerseits war der Beschuss weniger intensiv, dafür aber andererseits perfider und unberechenbarer. Heute gibt es wieder viele Tote und Verletzte. Es gibt auch erfreuliche Nachrichten: das Denkmal für den blutigen UdSSR-Marschall Zhukow ist abgebaut. Es gibt auch etwas Positives von der Charkiwer Front.

Heute hatten die Orthodoxen den Palmensonntag und die Christen des westlichen Ritus den Ostersonntag. Herzliche Glückwünsche an alle!

Der Brand in einem Wohnhaus in der Innenstadt von Charkiw infolge des moskowitischen Beschusses. Foto: Hauptverwaltung des Ukrainischen Notdienstes in der Region Charkiw.
Der Brand in einem Wohnhaus in der Innenstadt von Charkiw infolge des moskowitischen Beschusses. Foto: Hauptverwaltung des Ukrainischen Notdienstes in der Region Charkiw.

Es waren heute tatsächlich keine zahlreichen Beschüsse, natürlich zwischen den Stadtteilen unregelmäßig verteilt. Nach dem Morgenbeschuss ließ das Feuer nach, dann gab es vereinzelte Schüsse tagsüber, die gegen Abend aufhörten. Und da kam es wieder zu einem intensiven Beschuss der Stadt mit einer sehr breiten Geographie – Saltiwka, Zhukowski-Siedlung, Pjatychatky, Oleksijiwka, Traktorwerk, das Stadzentrum, Neschyschlia und Nowi Budynky.

Aus Mehrfachraketenwerfern feuerten die moskowiter auf die Innenstadt, in mehreren Wellen. Es waren keine gezielte Schüsse, man wollte damit die möglichst große Fläche abdecken, deshalb war der Streuradius sehr groß. Viele Gebäude wurden beschädigt oder zerstört: Wohnhäuser, Kindergarten, Schule, medizinische Einrichtungen. Als Folge entstanden mehrere Brände. Die moskowiter feuerten mit Streumunition. Ich war gerade in einem der beschossenen Stadtteile, aber glücklicherweise nicht draußen.

Ich bin sicher, dass der heutige Beschuss eine russische Rache für die Demontierung des Zhukow-Denkmals war. Zhukow ging in die ukrainische Geschichte als ein rücksichtsloser Feldherr ein, der im Zweiten Weltkrieg die Nazis buchstäblich mit Soldatenleichen zuschüttete. Der Kampf gegen das Denkmal dauerte seit 2015. Die letzten zwei Jahre wurde es sogar extra von der Polizei beschützt, damit die Aktivisten es nicht stürzen. Aber heute kam das Militär und fuhr das Denkmal auf die Mülldeponie. Das Ausbleiben jeglicher Kommentare seitens der Stadtverwaltung zeugt davon, dass sie vor vollendeter Tatsache gestellt wurde. Richtig so! Wir haben doch den außergewöhnlichen Zustand in der Ukraine!

Nach dieser Nachricht dachte ich mir: die moskowiter werden sich rächen, denn Zhukow war ihr Symbol und sein Denkmal – das Symbol ihrer Herrschaft, ähnlich wie der Kreuzer „Moskwa“. Und ich hatte mit meiner Intuition recht: die raschisten rächten sich an Charkiw dafür.

Es hat sich herausgestellt, dass das russische Ermittlungskomitee wegen „Entwürdigung der Erinnerung an die Heimatverteidiger“ ermittelt und eine Liste der Teilnehmer der Demontage zusammenstellen will. So sehen wir, dass die moskowiter ihre Rechtsprechung auf die Ukraine verbreiten, als sei es ein Bezirk russlands.

Die heutigen Helden sind Feuerwehrleute und Mediziner. Vielen Dank an die Feuerwehr, die unermüdlich und furchtlos an der Beseitigung der Folgen der Beschüsse arbeitet. Und fachlich hochqualifizierte Handlungen der Mediziner retteten heute einige Menschenleben. Unser tiefes Kompliment!

Beschossen wurden heute auch die Vororte – Derhatschi und Siedlung Slatyne, einige Dörfer der Gemeinde Derhatschi sowie die Richtung Tschuhujiw.

Von der Front kommen gute Nachrichten. Es wird gerade um den Ort Kutusiwka der Gemeinde Wilchuwata gekämpft. Ein Teil des Ortes ist befreit. Das Dorf war eine Zeit lang ein moskowitischer Stützpunkt. Es liegt an der Straße nach Staryj Saltiw. Dort befindet sich das Dorf Schestakowe, von dem sie den südöstlichen Rand von Charkiw beschießen. Nach offiziellen Angaben zogen ukrainische Тruppen voran, östlicher von Mala Rohan. Unsere Streitkräfte befreien allmählich die Gebiete um Charkiw herum und reduzieren somit den moskowitern die Möglichkeiten, Charkiw zu beschießen. Es bleibt ihnen im Grunde genommen nur die Variante der Langstreckenraketen.

Die Bürger von Charkiw entspannten sich Anfang April ein wenig. Aber jetzt kommt die Zeit, in der der Aufenthalt auf der Straße gefährlich sein kann. Es ist besser zu Hause, im Bombenkeller zu bleiben. Und wer besonders genervt oder erschöpft ist, soll lieber ausreisen. Zur Vorsicht auf der Straße ruft jetzt sowohl die regionale, als auch die städtische Verwaltung.

Nach Angaben des Bürgermeisters von Charkiw Terechow werden die Menschen von den unter Beschuss stehenden Stadtteilen evakuiert. Zwar wird die Evakuierung von Volontären durchgeführt und hat mit dem Bürgermeister wenig zu tun.

Viele Orte der Region Charkiw werden auch immer stärker beschossen. Gekämpft wird bei Isjum und in Richtung Barwinkowe. Unser Militär lässt kein Vorrücken der Invasoren zu. Es dauern Kämpfe bei Kreminna (Regon Luhansk) und in der Nähe von Borowa (Region Charkiw). Die Ukrainer versuchen bei Borowa einen Gegenangriff zu unternehmen. Die Soldaten der 93. Mechanisierten Brigade schossen mit einem noch sowjetischen Raketenwerfer „Igla“ noch einen raschistischen Hubschrauber Ка-52 „Aligator“ ab. Alle supermodernen Schutzsysteme haben dem Hubschrauber nicht geholfen. Die moskowiter feuerten eine Rakete auf Losowa, zum Glück, ohne Opfer.

In Isjum, wo ca. 12 Tausend Einwohner geblieben sind, beginnen die Invasoren die Mobilmachung. Diese Männer sind praktisch Zivilisten, die von dem Besetzer zwanghaft mobilisiert werden, – das ist noch ein Kriegsverbrechen der moskowiter.

Die Dorfgemeinde Zolotschiw, die sich direkt an der russischen Grenze befindet, wird weiterhin stark beschossen. Heute wurde das Dorf Iwaschky beschossen (zum Glück ohne Opfer), sowie das Dorf Dowzhyk, wo ein Mensch getötet wurde. In beiden Dörfern gibt es beschädigte Häuser.

Unsere Streitkräfte verzeichnen einige Erfolge in der Region – auf dem sogenannten Malyniwskyj Brückenkopf am linken Ufer des Flusses Siwerskyj Donez. Unsere Streitkräfte erweitern den Brückenkopf – die Dörfer Basalijiwka und Lebjazhe der Tsckalowske Gemeinde wurden bereits befreit (die Siedlung Tschkalowske selbst ist vorläufig von Moskowitern besetzt).

Bei Rubizhne und Popasna wird gekämpft. Diese Städte sowie Sewerodoneck werden ständig beschossen. Die Verwaltung ruft die Bevölkerung auf, sich zu evakuieren, solange es noch möglich ist, dabei ist ein Evakuierungsbus heute halb leer losgefahren. Gekämpft wird auch in dem mittleren Frontabschnitt – bei Awdijiwka und Marjinka, sowie im Süden – bei Wuhladar und Welyka Nowosilka in der Region Donezk.

Nach Angaben der ukrainischen Aufklärer wird eine raschistische Provokation in Cherson vorbereitet. Die moskowiter planen die Stadt mit „Grad“-Raketen zu beschießen und die ukrainischen Streitkräfte dafür verantwortlich zu machen. Um ihr „Referendum“ durchzuführen, haben die Invasoren vor, die beim Verteilen der Hilfsgüter gesammelten Personaldaten zu verwenden. Nach dem „Referendum“ soll auch in Cherson eine Mobilmachung erklärt werden, um den moskowitern das Bild eines „Bürgerkrieges“ zu vermitteln.

In Trostjanez (Region Sumy) sind schon sechs Personen wegen Minen und Sprengfallen umgekommen – fünf Kinder und ein Mensch, der mit seinem Hund im Wald spazieren ging. Das bedeutet, dass viele unkontrollierte Straßen und Pfade für die nächsten 10-15 Jahre gefährlich sind!!

Der Darwin-Preis geht heute an die Mitarbeiter der Oper, der Philharmonie und des Zirkus von Donezk, die einberufen und in den Fleischwolf geworfen worden sind. Ein Teil von ihnen hat schon heldenhaft ins Gras gebissen. Und so wird es jedem Verräter der Ukraine passieren!

Helfen wir den Streitkräften, der Nationalgarde und Territorialverteidigung sowie Medizinern, Volontären, Rettungskräften und Kommunalunternehmen. Unterstützen wir einander und glauben wir an die Ukraine!

Serhij Petrow

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історик, аналітик Інформаційного Центру "Майдан Моніторинг" (сайт "Майдан"), громадський активіст, редактор української Вікіпедії