Charkiw. Chronik des Angriffs auf die Stadt, der 34. Tag (29.03.2022)

Der Tag war relativ ruhig. In mancher Hinsicht war er sogar ruhiger als der gestrige Tag. Es fanden zwar die Verhandlungen statt, jedoch eine große Aktivität der moskowiter wurde nicht fixiert. Eine minimale raschistische Aktivität gab es am Morgen. Geschosse trafen das Nördliche Saltiwka und ein wenig auch das restliche Saltiwka, die Siedlung Zhukowskyj und Pjatychatky. Mäßig beschossen wurden Oleksijiwka, Derhatschi, Charkiwer Traktorenwerk, Horizont. Erneut gab es einen Treffer auf das Gelände des Charkiwer Flug- und Raumschiffsinstituts. Die Kernkrafteinrichtung „Neutronenquelle“ in Pjatychatky wurde überprüft: die Einrichtung selbst ist unbeschädigt, daher gibt es keine Gefahr für die Umwelt.

Inzwischen setzen die ukrainischen Militäreinheiten die Säuberung der befreiten Territorien, der Dörfer Mala Rohan und Wilchiwka, fort, dort werden in den Hauskellern Gruppen moskowitischer Soldaten entdeckt. In mehreren Innenhöfen und rundherum ist das Territorium dicht miniert. Außerdem ebnen die Ukrainer die Autobahn nach Tschuhujiw, die einige Wochen durch die Besatzer kontrolliert wurde – einen Teil des moskovitischen Konvois haben die Unseren eingeholt und gezeigt, wo der Pfeffer wächst. Einige technische Mittel, unter anderem gut funktionierendes Flugabwehrpanzer 2K22 „Tunguska“ wurden als Trophäen genommen. Am Straßenrand liegen Leichen der moskowiter und der Zivilbevölkerung, ausgebrannte Personenwagen. Bei dem Rückzug haben die moskowiter nicht nur geplündert, Menschen gequält und vergewaltigt, sondern auch Zivilisten erschossen – in besten Geheimdiensttraditionen mit einem Schläfenschuss. Es gibt auch Raschistenleichen ohne Spuren eines Kugelschusses – sie wurden von eigenen Kriegskameraden der Verhungerung und Erfrierung preisgegeben. Die Brücke über den Fluss Siwerskyj Donets, die nach Baschkyriwka führte, haben die moskowiter gesprengt.

Ein Charkiwer Schüler hat die Beschüsse über Telegram für den versprochenen Lohn koordiniert. Das Geld wurde ihm nicht ausgezahlt, dafür ist gegen ihn ein Krimminalverfahren eröffnet. Nur dass der Junge noch, wie es scheint, wegen jungen Alters nicht verurteilt werden darf.

Überall in Charkiw werden Trümmer abgebaut, Straßen werden aufgeräumt. Das machen sowohl die Stadtwerke, als auch viele Freiwillige. Der Stadtrat informiert, dass diesem Prozess bisher etwa zwei Tausend Personen sich angeschlossen haben. Ihr müsst wissen, dass Charkiwer ihre Stadt lieben. Der moralische Geist ist hoch, der Hass gegen die moskowiter ist auch auf gebührendem Niveau. Die Stadtwerke reparieren die Kommunikationen, in einigen Bezirken, in denen es ruhiger geworden ist, gibt es bereits Stromversorgung. Wie etwa in Pjatychatky, wo es weder Gas noch Wasser gibt. Kommunaldienste und Energietechniker tun alles Mögliche und auch Unmögliche für das Gewähren der funktionierenden Lebenserhaltungssysteme der Stadt! Es werden immer mehr Märkte geöffnet – der Handel lebt auf. Im Vergleich dazu, was hier vor einem Monat war, ist es einem Hauch frischer Luft ähnlich!

Einige Stadtbewohner:innen schreiben über die Notwendigkeit der U-Bahn-Erneuerung. Meines Erachtens ist es jedoch gefährlich und nicht an der Zeit. Alle U-Bahn-Züge stehen jetzt unter der Erde. Nach jeder Fahrt sollte man technische Besichtigung und reglementierte Reparaturen durchführen. Das soll in Depots gemacht werden. In unterirdischen Bedingungen eine qualitative Reparatur und Kontrolle zu machen ist unmöglich. Deshalb ist die Inbetriebnahme der U-Bahn für die Stadt einfach gefährlich – die moskowiter befinden sich noch in Charkiws Nähe.

Über die Lage im Gebiet gibt es nur wenige Informationen. Vor allem werden schwere Kämpfe um Isjum geführt. Auch die Stadt Barwinkowe, die Wege zu der von unserem Militär blockiert sind, wurde wieder beschossen.

Bezüglich Balaklija erschien eine Information, dass die Stadt vorige Woche 50 Tonnen humanitäre Güter erhielt, so ist die Aussage des Bürgermeisters Iwan Stolbowyj über die angeblich fehlende Hilfe von der Ukraine – eine Lüge, um eigene Kollaboration mit Besatzern zu rechtfertigen. Im Unterschied zu Balaklija gibt es in einer anderen besetzten Gemeinde solche Stimmungen nicht, weil der Ortsvorsteher deutlich proukrainisch gestimmt ist.

Raschisten haben mit einer Rakete ein weiteres Verwaltungsgebäude zerstört – diesmal hat es Gebietsverwaltung in Mykolajiw getroffen, ein Teil des Gebäudes ist auf allen Stockwerken zerstört. Das ist ein Racheakt an Witalij Kim, Leiter der Militärverwaltung im Gebiet Mykolajiw. Er selbst hat den Angriff übrigens verschlafen. Zwölf Menschen sind ums Leben gekommen, es gibt viele verletzte.

Gleichzeitig werden weiterhin Menschen von besetzten Gebieten nach moskowien deportiert. So wurde das Personal und Patient:innen einer Entbindungsklinik in Mariupol deportiert. Dort dauern erbitterte Kämpfe an, die raschisten kommen an Asowstahl nicht heran, das geben sie auch selber zu.

In Berdjansk verzichtete der lokale Provider auf seine Lizenz und alle Mitarbeiter haben gekündigt, um nicht mit den Besatzern kollaborieren zu müssen, als diese vor der Bürotür aufgetaucht sind. Herzlichen Dank für proukrainische Position und den Mut!

Die moskowiter ziehen ein Teil ihrer Truppen, die sich Richtung Kyjiw und Tschernihiw bewegten, ab, wahrscheinlich, um die Truppen zu stärken, die sich Richtung Isjum-Slowjansk, Rubischne-Sewerodonezk und Mariupol bewegen. Dort werden in der nächsten Zeit die erbittertsten Kämpfe stattfinden.

Es gibt auch erfreuliche Nachrichten. Am Abend wurde ein Waffenlager im Dorf Krasnyj Lutsch in der Nähe von Bjelgorod dekommunisiert (d.h. gesprengt), vier raschisten wurden verletzt. Erstens sieht es schön aus! Zweitens ist das unsere Antwort auf Pjatychatky, ihr Schweinehunde! Laut offizieller raschistischer Version ist der Grund für Explosion „menschliches Versagen“, laut einer anderen – kam da eine Antwort angeflogen. Jetzt werden sie weniger Raketen auf Charkiw und Gebiet schießen können. In Charkiwer communities herrscht einmütiger Trolling der moskowiten, man sagt „Belgorod ist die Stadt der ersten Ehrensalve“ (während des Zweiten Weltkrieges, was nicht belegt sei, jetzt aber nicht nur das).
Und gegen Illja Kywa, der nach moskowien abgehauen und dort aktiv im raschistischen Fernsehen aufgetreten ist, wurde ein Ermittlungsverfahren eröffnet, ihm werden Aufruf zu Sturz der Regierung und zum aggressiven Krieg vorgeworfen. Endlich und Amen!

Was Verhandlungen betrifft, so glaube ich im Moment wenig an ihre Wirksamkeit. Erstens werden die moskowiten bereits besetzte Gebiete in Luhansk, Donezk und im Süden der Ukraine nicht verlassen wollen. Dort herrscht schon Geschrei über den Verrat, das können wir uns im schlimmsten Traum nicht vorstellen, man solle die Ukrainer töten, statt denen territoriale Gewinne zu überlassen. Also haltet eure Köpfe kalt – alles wird in den Kämpfen um unseren Boden und unser Land entschieden.

Heute wurde Roman Hrybow, von dem der mittlerweile weltbekannte Satz stammt – “russisches Militärschiff, go fuck yourself!“ mit einer Medaille der Gebietsverwaltung in Tscherkasy ausgezeichnet. Der Held von Zmijinyj wurde aus der Gefangenschaft befreit und ist nach Hause zurückgekehrt. Ehre dem Helden!

Lustiges. Generalstaatsanwaltschaft von moskowien verlangt, dass der Wikipedia Eintrag über den Angriffskrieg gegen die Ukraine innerhalb von drei Tagen der offiziellen moskowitischen Version angepasst werden soll. Sonst droht sie Wikipedia zu blockieren. Es ist so, dass laut Ergebnissen einer Besprechung moskowitische Quellen, außer offiziellen Äußerungen der Regierungsvertreter nicht als Informationsquellen gelten. Position der Wikicommunity – die dem russischen Schiff nachzuschicken. Mehr noch, sich über VPN in Wikipedia einzuloggen ist unmöglich, Proxi-Server werden global blockiert. Dieser Schritt bedeutet das Ende von Ru-Wiki.

Einer von raschistischen Imperialisten, aus Charkiw stammend, der mir 2013 erklärte, dass es keine ukrainische Sprache gibt und der sich seit 2014 in moskowien aufhält, wurde blockiert, er kann ein halbes Jahr nichts zum Thema Ukraine schreiben oder äußern. Ansonsten, sollen sie doch ruhig weiter blockieren.

Den Darwin-Preis bekommt heute Ross-Awiacija, Hacker haben 65 Terabytes Information gelöscht, kompletten Luftflottenregister, Dienstwechsel vom 1,5 Jahren, sämtliche Datenbanken. Wiederherstellen lässt sich das nicht, weil man kein backup gemacht hat: dafür gab es einfach kein Geld. Man geht zum Dokumentenumlauf in Papierform über. Kurz gesagt: Epische Idioten!

Unterstützen wir Verteidigungskräfte der Ukraine – ukrainische Streitkräfte, Nationalgarde der Ukraine, Territorialverteidiger, helfen wir den Freiwilligen, Mediziner:innen, Retter:innen und Kommunaldiensten. Glauben wir an eigene Kräfte und an unsere ukrainischen Streitkräfte, und alles wird mit Sicherheit Ukraine sein!

Serhij Petrow

Bild: Hauptverwaltung des Staatlichen Dienstes der Ukraine zur Bewältigung der außerordentlichen Situationen im Gebiet Charkiw, Lizenz CC BY 4.0.

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історик, аналітик Інформаційного Центру "Майдан Моніторинг" (сайт "Майдан"), громадський активіст, редактор української Вікіпедії