Charkiw. Chronik des Angriffs auf die Stadt, der 38. Tag (02.04.2022)

Heute war ein relativ stiller Tag. Der Beschuss war nicht intensiv und wellenartig. Der wellenartige Beschuss wurde zur Besonderheit der letzten Tage.

Am Morgen konnte man bei den moskowitern eine geringe Aktivierung bemerken. Ungefähr um 10 Uhr beschossen sie den Gorki-Park. Resolut und kräftig. Ich war gerade unterwegs in der Nähe von Sarzhyn Jar. Leider ist es schon zu Charkiws Alltag geworden… Durch den Beschuss wurde ein Teil der Fahrgeschäfte und Gebäude im Park zerstört und ein Mitarbeiter des kommunalen Versorgungsunternehmens verletzt. Der verstorbene Bürgermeister Kernes wird wohl den moskowitern, die sein Lieblingsprojekt vernichten, die Hölle heiß machen.

Die Fakultät für Physik und Technologien der Karasin-Universität, Pjatychatky. Foto: Serhij Petrow.
Die Fakultät für Physik und Technologien der Karasin-Universität, Pjatychatky. Foto: Serhij Petrow.

Im Laufe des Tages wurden Saltiwka, Welyka Danyliwka, Oleksijiwka, Pjatychatky, Horizont und Traktorwerk beschossen, am stärksten Saltiwka Nord. Dieser Wohnbezirk ist zurzeit das heißeste Beschussziel in der Stadt. Ungefähr ein Drittel des gesamten Artilleriefeuers kriegt Saltiwka ab. Das größte Wohngebiet wird einfach zerschlagen – mit der ganzen zivilen Infrastruktur und allen Häusern. In Saltiwka Nord gibt es kein unbeschädigtes Gebäude mehr (von ausgeschlagenen Fenstern bis zu totaler Zerstörung, betroffen sind vor allem Schulen und Kindergärten). Saltiwka Nord, das heißt das Gelände zwischen Kytljartschyn Jar (Dzherelna Straße) und der Ringstraße, ist mit 9-, 12- und 16-stöckigen Häusern bebaut. Bis jetzt wohnen dort Menschen, die sich in Kellern vor Beschuss retten und sich ohne Strom und Gas in den Höfen der zerstörten Häuser auf einfachen Feuerstellen Essen kochen …

Beschossen wurden auch Derhatschiw und andere Dörfer, die zur Derhatschiw-Gemeinde gehören, dabei wurde eine Gasleitung beschädigt. Nicht ganz still war auch in der Gegend von Tschuhujiw.

Jeden Tag dokumentieren wir beschädigte Gebäude in Charkiw und finden dabei Beweise, dass moskowiter in allen für sie erreichbaren Stadtteilen unsere zivile Infrastruktur ganz zielbewusst vernichten. Ich beschrieb das ausführlich in den Chroniken vom 30. März . Ausgenommen Saltiwka Nord und Horizont sowie Welyka Danyliwka, die ernsthaften Zerstörungen ausgesetzt waren, kann man bei den Beschädigungen in allen anderen Stadtteilen gewisse Gesetzmäßigkeiten beobachten.

In einen Stadtteil, der vor einem Monat einem starken Luftangriff ausgesetzt wurde, kehrten teilweise die Einwohner zurück; einige Geschäfte und sogar Kioske sind wieder geöffnet. Aber über die Hälfte der Stadtbürger sind aus der Stadt ausgereist, zumindest in die Vororte, wo es still und ruhig ist.

Die Karasin-Universität traf die Entscheidung, in Charkiw zu bleiben, obwohl ein Vertreter des ukrainischen Bildungsministeriums die Evakuierung der Universität in eine andere Stadt erklärte. Der Unterricht findet online statt.

Über die Situation in der Region ist wenig bekannt. In den Vororten von Isjum wird hart gekämpft, aber unsere mutigen Verteidiger zermahlen Tag für Tag die Horde, die täglich Nachschub bekommt. Moskowiterkolonnen stehen bei Walujky und ziehen durch besetzte Dworitschna und Kupjansk in Richtung Isjum.

Auf Losowa (im Süden der Region Charkiw) wurden heute Raketen abgefeuert, dabei wurden Häuser beschädigt, vier Personen verletzt und die Stadt ist ohne Strom und Wasser geblieben. Die Reparaturen sollen mindestens drei Tage dauern. Das ist noch ein Beweis, dass raschisten die komplette Versorgung ukrainischer Städte zu vernichten vorhaben. Mit Raketen wurden auch Poltawa, Krementschuk (Erdölraffinerie), Myrhorod und Pawlohrad beschossen. In Pawlohrad wurden der Bahnhof und eine Straßenüberführung beschädigt.

In der Region Charkiw schossen ukrainische Kämpfer mit dem Panzerabschussgerät „Korsar“ zwei feindliche Hubschrauber Mi-8 auf einen Schlag ab: Die Rakete traf zuerst den einen, und indem er abstürzte, stieß er mit dem anderen zusammen. Minus zwei raschistische Flugkörper!

raschisten besetzten einen Teil des Dorfes Oskil, in der Nähe von Isjum, und sprengten den Damm (über den Zustand des Wasserkraftwerkes Oskil ist nichts bekannt). Das Wasser strömte nach Oskil und Siwerskyj Donets und überschwamm teilweise das Gelände des Klosters Swjatohirska Lawra. Der Oskil-Stausee war ein Teil des Wasserversorgungssystems im Donbas-Becken, wo es grundsätzlich immer Wasserprobleme gab.

Darüber hinaus zogen sich fast alle russischen Einheiten vom rechten Ufer des Siwerskyj Donets in der Nähe von Balaklia zurück, mit der Absicht zusätzliche Kräfte nach Isjum zu verlegen. Gleichzeitig verschleierten sie ihren Rückzug, indem sie das Krankenhaus von Balaklija beschossen, um dann die ukrainischen Streitkräfte dafür verantwortlich zu machen. Balaklija ist besetzt, dort sind hauptsächlich die Einheiten, die mit «ORDLO»-Leuten besetzt sind, stationiert.

Gleichzeitig besteht in der Stadt Barwinkowe, wo die Evakuierung der Zivilisten fortgesetzt wird, immer noch die Gefahr des Beschusses mit Mehrfachraketenwerfer und der Luftangriffe.

Es gibt Geschichten über unbekannte Kriegshelden von Charkiw: Während des Beschusses der Stadt durch Raketenartillerie am 1. März dieses Jahres traf eine der Raketen in der Nähe des Bahnhofs Charkiw-Passazhyrskyj. Die Brigade der Lokomotive ChME-3 Charkiw-Sortuwalnyj brachte als erstes, wie es in den Vorschriften steht, die Sperrwagen auf entsprechende Gleise, und dann hakte sie die Rakete an den Seilen an die Wagons und zog sie vorsichtig, unter Kontrolle der Vertreter des Staatlichen Notdienstes, aus dem Boden heraus. Das ist ein echtes Heldentum, das nicht nur mit amtlichen, sondern auch mit staatlichen Auszeichnungen geehrt werden sollte.

Es dauern Kämpfe um Rubischne und Popasna. Die moskowiter versuchen, Awdijiwka und Marjinka einzunehmen, attackieren Wugledar, andere größere und kleinere Städte an der Kontaktlinie im nördlichen Teil des Donetsker Gebiets, dort, wo die Kontaktlinie ihre Konfiguration vom Februar laufenden Jahres beibehalten hat. Unsere braven Soldaten schlagen die Angriffe der raschisten ab.

Nach der Information der ukrainischen Aufklärung leistet die Bevölkerung der besetzten Dörfer in der Isjum Region des Charkiwer Gebiets Widerstand: jemand bewirtete die moskowiter mit köstlichen frischgebackenen Piroggen, danach sind zwei raschisten verreckt und 28 wurden auf die Intensivstation gebracht. Eine gute Backrezepte gegen die Besatzer! Etwa 500 raschisten wurden in die Krankenhäuser eingeliefert nach dem Konsumieren der Alkoholgetränke unbekannter Herkunft.

In Enerhodar fand heute wieder eine proukrainische Aktion statt, und wieder wurde sie von den Besatzern mit Lichtgranaten und MG-Lagenfeuer auseinandergescheucht. Ein großer Dank an die Einwohner Enerhodars für den Widerstand den moskowitern.

moskowiter traten von der Kyjiw Region zurück und jetzt ist das ganze Kyjiwer Gebiet von den Besatzern befreit. Die treten auch zum großen Teil von Tschernihiw und Sumy Gebiet zurück. Dabei plündern sie ukrainische Kleinstädte und Dörfer aus, vernichten die Orte, alles Wertvolle nehmen die Orks mit und lassen hinter sich getötete friedliche Einwohner der Orte. Das Gelände, vor allem um die Wohnbezirke herum, wird von ihnen mit Minen verlegt.

Bei Kyjiw kam einer der gut bekannten ukrainischen Fotojournalisten um – Maks Lewin. Seine Leiche wurde auf dem befreiten Territorium aufgefunden. Er galt seit dem 13. März als verschollen, als er die Kämpfe um Kyjiw aufnehmen wollte.

Die Bilder aus Butscha sind schlimmer als Bilder aus Nazizeit. Das stimmt auch: Raschismus ist schlimmer als Nationalsozialismus. Am Abend des 2. April wurden fast 300 ermordete friedliche Einwohner der Stadt entdeckt. Die meisten Leichen der Terroropfer liegen draußen auf den Straßen, einige Leichen versuchten die Orks zu begraben, um die Spuren eigener Verbrechen zu vertuschen. Dutzende von den Besatzern gefolterte und vergewaltigte Männer und Frauen, Dutzende Tote mit hinter dem Rüсken zusammengebundenen Händen, Dutzende Menschen, die mit einem Schläfenschuss getötet wurden, in besten Traditionen des sowjetischen Geheimdienstes der 1930-50er Jahre. Die Leichen einiger vergewaltigten Frauen versuchten die raschisten zu verbrennen, um das Verbrechen zu verbergen. Das ist nichts anderes als Genozid der Ukrainer. Ein Völkermord im 21. Jahrhundert, im Jahre 2022! Etwas Ähnliches war in Ruanda 1994, aber in einiger Hinsicht übertreffen die moskowiter die Gräueltaten in Ostafrika!

All das ist Raschismus, den es seit über 500 Jahren gibt, seit es das Konzept „moskau als drittes Reich, ein viertes wird es nicht geben“, das Konzept, das als moskauer Zarenreich, russisches Imperium und sowjetunion existierte und jetzt – als heutiges moskowien. Ihr Minimalziel ist mindestens das Territorium der sowjetunion zum Leben zu rufen, ihr Großziel ist das Territorium der Länder, die Mitglieder des Warschauer Paktes waren, zurückzugewinnen. Deshalb sind sie so gierig nach der Ukraine, egal ob mit Einwohner:innen oder ohne, wenn es auch mit der zugrunde gebrachten Infrastruktur sein wird. Den höchsten Wert für die raschisten bildet das Territorium, auch ohne Menschen, denn ihr Ziel ist es, an die polnische Grenze zu gelangen, um dort eigene ballistische Raketen zu stationieren und von dort praktisch das ganze Europa beschießen zu können. Das de facto besetzte Weißrussland und die real besetzte Krim geben ihnen diese Möglichkeiten nicht. Und nur das Beherrschen der Ukraine gibt ihnen die Möglichkeit, Europa zu erpressen. Die raschistische Größe ist nicht in der Wirtschaft, sie ist ausschließlich in der Territorialgröße, Truppenzahl und Munitionsanhäufung. Damit sowie auch und vor allem mit der Atomkeule jagt russland der ganzen Welt Angst ein, damit die Welt und vor allem der Westen entgegen den politischen und wirtschaftlichen Gelüsten moskowiens nachgiebiger werde. Die raschisten stellen sich zum Ziel, die Ukrainer zu assimilieren, und die, die nicht kollaborieren werden, einfach zu vernichten, körperlich auszulöschen. Sie wollen uns alle, alle Ukrainer:innen auf die eine oder andere Weise töten. Raschismus ist schlimmer als Nationalsozialismus, es ist eine typisch menschenhassende Ideologie.

Die aktive Kriegsphase der Ukraine mit moskowien kann nur unter Bedingung der harten Sanktionen aufhalten. Bis Europa komplett auf russische Gas und Öl verzichtet, sollte man ausschließlich nach der Formel handeln: den Sprit tauscht man gegen die Lebensmittel. Sonst muss der Handel mit moskowien sowie die ausländischen Firmen, die ihren Sitz in moskowien haben, aufhören. Die Ukraine befindet sich in der Vorderfront des Kampfes gegen die Horde, die weiter auf der Idee der Weltherrschaft und der Weltrevolution, die von den Bolschewiken 1917 proklamiert wurde, beharrt.

Das garantiert noch bei weitem keinen Frieden in der Zukunft. Ein deutliches Beispiel ist Nordkorea, das Land, das Kernwaffe besitzt. Deshalb wird moskowien sich bemühen, neu zu starten und einen neuen Krieg zu entfesseln. Nur die härtesten Sanktionen und komplette Isolierung können einen permanenten Krieg in Europa verhindern. Dazu reichen die atomare Ausrüstung und die Deraschistisierung allein nicht mehr (die Deraschistisierung sollte mindestens 30-50 Jahre dauern (ungefähr zwei Generationen). 10 Jahre, wie es während der Denazifizierung Westdeutschlands war, wären in diesem Fall eine viel zu kurze Zeitspanne. moskowien soll in seinen heutigen Grenzen aufhören zu existieren, und die von moskowien versklavten Völker sollen ihre Unabhängigkeit erhalten. Meinen Sie, es wäre unmöglich‚ unrealistisch? 1984 hat man auch daran geglaubt, die UdSSR wäre ewig existieren, aber binnen sieben Jahre fand Schuldnerverzug und Zerfall dieses Imperiums des Bösen statt, unabhängige Nationalstaaten entstanden, und die Ukraine erneuerte nach der moskowitischen Besatzung ihre noch 1920 unterbrochene Staatlichkeit. Das Weiterbestehen der westlichen Werte und der Demokratie ist nur unter Bedingung der begrenzten Möglichkeiten moskowiens und seines späteren Auslöschens in den jetzigen Grenzen, wie es einmal mit dem nazistischen Dritten Reich war.

Es gibt aber auch gute Nachrichten. Die Sonderoperationskräfte der Streitkräfte der Ukraine haben fast unversehrten moskowitischen Helikopter Ka-52 erobert, der allerdings ein bisschen zu renovieren ist.

Unser Darwin-Preis geht heute an die Gruppe der moskowitischen Krieger, die starben, nachdem unser Geschoss ihre Maschine mit den ausgeraubten Gütern getroffen hat und sie die Maschine nicht verlassen konnten wegen der geraubten Teppiche, mit denen sie sich allerseits gestützt haben. Die Teppiche fingen Feuer als erste. So sind diese Orks lebendig verbrannt. Die Plünderung ist nämlich lebensgefährlich!

Helfen wir unserem Militär und allen, die ihm das Nötigste besorgen, allen, die Kranke und Verwundete behandeln, allen, die das Funktionieren der Städte im Hinterland gewähren. Unterstützen wir einander in diesen Zeiten der harten Erprobungen. Wir kommen als Sieger daraus, denn wir sind Ukrainer!

Serhij Petrow

Über Сергій Петров 248 Artikel
історик, аналітик Інформаційного Центру "Майдан Моніторинг" (сайт "Майдан"), громадський активіст, редактор української Вікіпедії